Rameau mit Turnschuhen

Nikolai Tokarev, der etwas andere Pianist, spielt in München
von  Abendzeitung
Sein Leben dreht sich ums Klavier – aber das muss Nikolai Tokarev nicht zelebrieren.
Sein Leben dreht sich ums Klavier – aber das muss Nikolai Tokarev nicht zelebrieren. © Sony / Uwe Arens

Nikolai Tokarev, der etwas andere Pianist, spielt in München

Oh, Du schreibst zur Abwechslung über Pop“, bemerkte die Kollegin vom Layout etwas verwundert. Sie war gerade dabei, das Foto rechts einzupassen – und brachte mit ihrem Kommentar die Sache auf den Punkt. Nikolai Tokarev traut man allerhand zu, aber wie ein Pianist schaut er nicht gerade aus. Wobei man sich natürlich fragt, wie ein Pianist auszusehen hat. Blass, sehnig, vergeistigt?

Ein bisschen kultiviert Tokarev den lässigen Club-Gänger. Mit Dreitagebart, Sweatshirt und Turnschuhen lümmelt er cool auf dem Cover seiner ersten CD, die den Titel „No. 1“ trägt und sich aus einem Schaut-was-ich-drauf-hab-Mix von Schubert über Chopin bis Prokofjew zusammensetzt. „Ich will mich nicht festlegen“, sagt er im AZ-Gespräch. Verständlich, mit 24 Jahren will, muss man noch ziemlich viel ausprobieren.

Die Musik fließt einfach

Dass sich der Sohn eines Moskauer Musikerehepaars im Gegensatz zu vielen seiner Landsleute beim russischen Repertoire einigermaßen zurückhält, macht ihn nur interessanter. Kaum etwas funktioniert auf dem Markt besser als Klischees. Aber auch mit seiner zweiten CD setzt er sich nicht ins gemütliche Boot auf dem Mainstream. Französisches ist es diesmal, Rameau, den man (leider) nicht alle Tage hört, Debussys „Claire de lune“, ein transkribierter Orgelbrocken von César Franck und Ravels „Gaspard de la nuit“, der vertrackte Dreiteiler, bei dem schon sehr viel erfahrenere Kollegen gescheitert sind. „Ich wollte einfach verschiedene Epochen der französischen Musik vorstellen“, erklärt Tokarev lakonisch das Konzept.

Und das ist vermutlich auch der Schlüssel zu seinem Erfolg. Natürlich steht die Musik im Mittelpunkt, keine Frage, aber Tokarev muss das Ganze nicht künstlich aufblähen. Er spielt einfach, technische Hürden scheinen für ihn sowieso nicht zu existieren. Die Musik perlt, fließt, strömt, auch wenn da mancher Saft noch nicht ganz ausgegoren ist. Egal, er steht ja erst am Anfang. Und mit seinem entspannten, unprätentiösen Spiel hat er eh schon gewonnen. Christa Sigg

Konzert: 4. Dezember, 20 Uhr, Herkulessaal der Residenz, Karten 28 bis 52 Euro.

CD: French Album, Rameau, Ravel, Debussy etc., Sony BMG

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