Rätelhafte rote Kabel: Rüttel-Alarm in München
MÜNCHEN - Was hat das bloß zu bedeuten? Wird hier eine groß angelegte Sprengung vorbereitet? Ist irgendwo der Strom ausgefallen? Schier endlos schlängeln sich die roten Kabel über den Sendlinger Tor Platz, am Patentamt vorbei, durch die Säbener Straße oder über die Hackerbrücke. Überall in der Stadt sind die auffälligen Strippen verlegt, ordentlich abgeklebt mit orangem Tape.
Die Erklärung: Die Stadtwerke München (SWM) haben eine groß angelegte Seismik- und Geothermie-Kampagne gestartet. Mit Hilfe gewaltiger „Vibro-Fahrzeuge“ soll ergründet werden, ob in Münchens Untergrund Heißwasser-Blasen simmern, die zur Versorgung der Stadt mit umweltfreundlicher Heizenergie angezapft werden können.
Je zwei parallel verlaufende Ost-West- und Nord-Süd-Routen in der Stadt haben sich die Experten im Auftrag der SWM zur exakten Erforschung des Münchner Untergrunds ausgesucht. Und dazu das Gebiet im und um den neuen Stadtteil Freiham.
Im Vorfeld der spektakulären Messungen wurden erst einmal die roten Kabel verlegt. An denen sind hoch empfindliche Geophone befestigt. Ähnlich wie Mikrophone fangen sie die von den unterschiedlichen Erdschichten unter der Stadt reflektierten Schwingungen der Vibro-Maschinen auf und leiten sie über die Kabel an Aufzeichnungsgeräte weiter. „Mit modernster Rechnertechnik und dem Fachwissen von Experten lassen sich daraus Rückschlüsse auf die Untergrundbeschaffenheit ziehen“, so ein SWM-Sprecher.
Die Seismik-Spezialgeräte rücken unüberhörbar laut und unübersehbar gewaltig an. Wie eine kleine Wanderkarawane fahren die Ungetüme in Position. „Sie sind laut und brauchen viel Platz“, so ein SWM-Sprecher. „Deshalb wird der Konvoi von Begleitfahrzeugen gesichert.“
Die Messungen laufen immer nach dem selben Schema ab. Alle 40 Meter setzen die tonnenschweren Lastwagen ihre mittig angebrachten Schwingungsplatten auf den Boden – und vibrieren drei Mal gleichzeitig für zwölf Sekunden – unter ohrenbetäubendem Lärm. Dann geht’s wieder 40 Meter weiter.
„Wir bitten um Verständnis für etwaige Lärmbelästigungen“, heißt’s bei den Stadtwerken. Die Arbeiten würden nach der Devise „schnell hin und schnell wieder weg“ durchgeführt. Von den Messungen erhofft man sich Erkenntnisse über die Lage und die Struktur der Thermalwasser führenden Gesteinsschichten – und damit natürlich die Antwort auf die Gretchenfrage: Wo lohnt es sich, Münchens heißen Untergrund anzubohren?
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