Radlhauptstadt? Von wegen!

Stolz ist man im Rathaus auf die Münchner Radwege. „Hauptstadt“ nennt man sich, wenn es ums Radfahren geht. Doch nicht alle sehen es so. Erst dieser Tage hat die AZ Münchens gefährlichste Stellen für Radler beschrieben, die Grünen planen wie berichtet ein Radler-Bürgerbegehren. Und jetzt hat der ADFC, der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club, die Rad-Situation mit der in anderen bayerischen Städten verglichen – und München ein sehr schlechtes Zeugnis ausgestellt.
Über die Nahmobilitätspauschale stehen alleine in München jährlich 10 Millionen Euro für Radverkehrsmaßnahmen zur Verfügung. Nürnberg hat einen Etat von 1,1 Millionen Euro für die Radinfrastruktur; Augsburg hat im vergangenen Jahr 950 000 ausgegeben und will diesen Anteil 2017 erhöhen. In vielen Städten gibt es darüber hinaus projektbezogene Zahlungen.
Als Vorreiter bezeichnet der ADFC München trotz der großen Investitionen explizit nicht – sondern Erlangen. Die Stadt investiert regelmäßig 50 bis 100 000 Euro in den Radverkehr, verhältnismäßig wenig. Dazu kommen allerdings jährlich unterschiedlich hohe Sonderprojekte. Im Vergleich mit allen Städten Deutschlands lag Erlangen 2014 beim Fahrradklimatest des ADFC auf Platz eins. Dieser zeigt, wie zufrieden Radfahrer mit der Infrastruktur in ihren Städten sind. Auch Augsburg, Erding oder Landshut wurden 2014 positiv bewertet, Ingolstadt lag deutsch landweit auf dem dritten Platz.
Zu viele Radwege zu Lasten der Fußgänger
München, das gerne „Radlhauptstadt Bayerns“ wäre und mit einer gleichnamigen Kampagne dafür wirbt, sieht der ADFC nur im Mittelfeld. „In den letzten zwei, drei Jahren sehen wir eine Stagnation, was die Verbesserung der Infrastruktur für Radfahrer angeht“, sagt Martin Glas, erster Vorsitzender des ADFC-Kreisverbandes München. Die schwarz-rote Koalition im Stadtrat sei nicht so engagiert für den Radverkehr, wie die rot-grüne Vorgängerregierung. „Der Elan ist schon sehr erlahmt.“
Ein häufiges Problem ist, dass Radwege vielerorts zu Lasten der Fußgänger angelegt würden, meint der ADFC. Die Breite der Radwege werde aber in den meisten Städten als zu gering beklagt, und das Sicherheitsgefühl unter Radfahrern ist überwiegend nicht besonders groß, bemängelt Petra Husemann-Roew vom ADFC Doch woher nimmt man den Platz für Radwege in einer dicht bebauten Stadt wie München, die nicht über breite Straßen verfügt?
Das sei jeweils eine Einzelfallentscheidung, meint der Stadtplaner Andreas Bergman. Teilweise sei eine Verschmälerung der Fahrstreifen für Autofahrer möglich. Dem „ruhenden Verkehr“ könne man auch Parkhäuser anbieten und die Parkplätze in Radwege umwandeln.
Ob die Münchner Radl-Debatte jetzt Fahrt aufnimmt? Die Grünen zumindest hoffen das. Mit ihrem Bürgerbegehren wollen sie große Fortschritte für den Radlverkehr erzwingen.