Radler auf die Straße?
Pro: AZ-Redakteur Volker Isfort
Die Jahrzehnte alten Pläne von autofreien Städten vermodern in den Schubladen der Planungsreferate. Aber selbst zum Zeitpunkt der utopischen Planungen hatte niemand vorausgesehen, dass wirklich einmal so viele Menschen auf das Fahrrad umsteigen würden. Das ist keine kurzfristige Modeerscheinung. Nun beginnt endlich auch in München die zögerliche Gleichberechtigung von Fahrradfahrern auf den Straßen.
Das ist übrigens keine Bestrafung der Autofahrer, sondern eine Reaktion auf das längst veränderte Verhalten der Münchner Bürger. Es ist eng im Münchner Straßenverkehr, da bleibt auch kein Platz für verkehrstechnische Polemik. Die Straße „gehört“ nicht einmal in der Straßenverkehrsordnung exklusiv den Autos.
Radelnde Massen länger auf engstem Raum mit den Fußgängern zusammenzuquetschen – auf der Breite einer Parkspur für Autos – ist schließlich keine Verkehrspolitik, sondern die bewusste Schaffung von gefährlichen Konfliktstellen.
Contra: AZ-Redakteur Timo Lokoschat
Fahre ich Rad, schimpfe ich auf die blöden Autofahrer, deren Außenspiegel meinen Ellenbogen um 1,5 Zentimeter verfehlen; sitze ich im Wagen, bekomme ich hohen Blutdruck, wenn sich an einer Ampel die Radler rechts und links auf Teufel komm raus durchquetschen müssen oder meine Motorhaube als kostenlose Handabstützfläche nutzen.
Diese Doppelrolle kann wohl jeder, der mehrere Fortbewegungsmittel benutzt, an sich beobachten.
Als Radler sage ich: Dass die Stadt seit Jahren mehr für uns tut, mehr Raum und mehr Rechte schafft, ist eine sehr erfreuliche Entwicklung.
Als Autofahrer meine ich: Langsam reicht’s.
Das Provisorium in der Lindwurmstraße, auf der den Autos zwei komplette Spuren weggenommen wurden, ist nur ein Vorgeschmack auf das, was droht, wenn sich Zweirad-Ideologen weiter in Sachen Verkehrspolitik verwirklichen dürfen.
Eine Millionenstadt ist nun mal kein Radlerparadies – soll sie auch nicht sein. Will ich ungestört in die Pedale treten, fahre ich raus aufs Land oder in ruhige Viertel. Nicht auf die Hauptstraßen!
Zu Lasten der anderen Verkehrsteilnehmer – auch der Fußgänger – ständig neuen Platz für die Radler zu schaffen, würde irgendwann zum sicheren Verkehrskollaps führen.