Radikalkur für die Stadtkliniken in München

Das Sanierungskonzept für die Städtischen Kliniken in München ist fertig: Die Stellen von 2000 der 8000 Beschäftigten sollen wegfallen. Kosten der Sanierung: 704 Millionen Euro.
München - Es war klar, dass die Eingriffe, die auf das malade Stadtklinikum zukommen, schmerzhaft werden. Jetzt liegt das Sanierungsgutachten der Boston Consulting Group (BCG) auf dem Tisch – und mit ihm konkrete Zahlen.
STELLENABBAU
Die Berater schlagen vor, dass fast jede vierte Stelle in den nächsten sechs bis acht Jahren gestrichen werden soll (genau: 23 Prozent).
Konkret sieht das Gutachten vor, dass von jetzt etwa 8000 Beschäftigten rund 2000 betroffen sein werden. Wobei einige von ihnen in Teilzeit beschäftigt sind. Rechnerisch sind es 1500 von 6500 Vollzeitkräfte-Stellen, die wegfallen würden. Dieser massive Abbau soll ohne betriebsbedingte Kündigungen erreicht werden. Wobei OB Christian Ude sagt: „Ich betone ,soll’.“ Als „Ultima Ratio“ dürften sie nämlich nicht ausgeschlossen werden.
Stattdessen setzen die Berater und Klinik-Aufsichtsratschef Ude vor allem auf folgende Wege zum Ziel: auf Fluktuation, das altersbedingte Ausscheiden von Mitarbeitern, die Übernahme von Personal in die städtische Verwaltung, Qualifikationsmaßnahmen – und auch auf einvernehmliche Aufhebungsverträge. Letztere kommen (gemeinsam mit betriebsbedingten Kündigungen, sofern diese unvermeidbar sind) laut dem BCG-Plan aber nur bei 85 Stellen in Betracht.
Beim Ärztlichen Dienst sollen mit einem Minus von 20 Prozent mehr Stellen wegfallen als beim Pflegedienst (-16 Prozent). Hart trifft es Technik sowie Wirtschafts- und Versorgungsdienst, wo die Anzahl der Jobs fast halbiert wird.
Verdi-Mann und Vize-Aufsichtsratschef Dominik Schirmer sprach von „einer Zahl, die gewaltig ist“. „Den Preis, der die Sanierung kostet, zahlen hauptsächlich die Beschäftigten.“ Er sagte klar, was für ihn nicht in Frage kommt: „Ein Gehaltsverzicht der Beschäftigten ist unvorstellbar.“
KOSTEN
Der Gesamtfinanzierungsbedarf, den das Klinikum mit seinen teils veralteten Häusern bis zum Jahr 2022 hat, liegt laut BCG bei rund 704 Millionen Euro – plus 100 Millionen Euro Risikopuffer. Diese Summe wird dem Konzept zufolge mindestens zur Hälfte von der Stadt geschultert werden müssen. Sie muss sich auf weitere Finanzhilfen in der Dimension von 340 bis 440 Millionen Euro einstellen.
An zusätzlichen Fördermitteln vom Freistaat für die anvisierten Neubauten sind einer Schätzung der Berater zufolge 348 Millionen Euro zu erwarten. Erst ab 2021 wird das Klinikum der jetzigen Planung zufolge wieder Überschüsse erwirtschaften. Sämtliche Baumaßnahmen sollen bis 2023 abgeschlossen sein.
BETTEN UND STANDORTE
In den nächsten acht Jahren sollen rund 800 Betten abgebaut werden. Die verbleibenden rund 2500 Betten (von derzeit 3300) verteilen sich so: Schwabing wird demnach in Zukunft 290, Bogenhausen 1020, Harlaching 545 und Neuperlach 650 Betten anbieten. An allen vier Standorten bleibt eine Notfallversorgung erhalten. Die dermatologische Klinik soll ab 2022 nach Neuperlach umziehen.
BEWERTUNG
Ude betonte am Freitag noch einmal, keiner der genannten Vorschläge sei „in Marmor gemeißelt“. Wer aber einen rauskicken wolle, müsse einen anderen Vorschlag machen, der eben so viel bringe. Der Stadtrat berät am 28. Mai über das Gutachten.
PERSONALIEN
Der Aufsichtsrat hat am Freitag auch zwei weitere Klinik-Chefs bestimmt. Ab April ist die Juristin Susanne Diefenthal (49) Personalgeschäftsführerin und Arbeitsdirektorin. Den Job des Sanierungsgeschäftsführers übernimmt Dr. Axel Fischer. Er ist kein Unbekannter für die Stadtspitze: Als Mitarbeiter der Boston Consulting Group hat er gerade am Sanierungsgutachten fürs Klinikum mitgearbeitet.
Fischer (45), selbst Arzt, wird der Sprecher der künftig vierköpfigen Geschäftsführung. Für den Fall, dass es bei Entscheidungen ein Patt gibt, soll er ein doppeltes Stimmrecht erhalten. Er sprach von einer „Herkules-Aufgabe“ und sagte: „Ich freue mich drauf.“