"Radikalisierung junger Muslime verhindern": Immer mehr Schüler in München und Bayern wollen Islam-Unterricht

Der Islam-Unterricht ist ein wichtiger Beitrag gegen die Radikalisierung junger Menschen. Ein Experte kritisiert allerdings, bei der Teilnehmerzahl hätten andere Bundesländer Bayern mittlerweile überholt.
von  Tobias Lill
Der Islam-Unterricht wird immer beliebter – auch in Schulen in Bayern und München. (Archivbild)
Der Islam-Unterricht wird immer beliebter – auch in Schulen in Bayern und München. (Archivbild) © dpa

München - Malik K. (Name geändert) hat zum Thema Homosexualität eine klare Vorstellung: Es sei zwar nicht richtig, dass Lesben und Schwule in manchen Ländern ins Gefängnis müssen oder ihnen gar die Todesstrafe droht. "Doch natürlich schickt sie Gott nach ihrem Tod für ihr schlimmes Verhalten in die Hölle", sagt der Elfjährige. Dies lehre doch schließlich der Islam, ist der oberbayerische Mittelschüler überzeugt.

Der Bub glaubt, dass seine wenig tolerante Auslegung des Islams die richtige sei. Der Deutsch-Türke informiert sich in seinem persönlichen Umfeld und im Internet darüber, "wie ein guter Muslim leben sollte."

Immer mehr Schulen in Bayern und München bieten Islam-Unterricht an

In der Schule hat er sich bislang dagegen kaum mit seiner Religion beschäftigt. Einen Islam-Unterricht besucht er nicht. Würde es an seiner Schule ein solches Angebot geben, wäre sein Weltbild womöglich ein anderes. Schließlich wird im bayerischen Islam-Unterricht penibel darauf geachtet, die Religion im Einklang mit dem Grundgesetz und humanistischen Werten zu lehren.

In Bayern sei die Ausbildung als Islamlehrer im bundesweiten Vergleich nicht attraktiv genug, so ein Vorwurf.
In Bayern sei die Ausbildung als Islamlehrer im bundesweiten Vergleich nicht attraktiv genug, so ein Vorwurf. © picture alliance/dpa

Zwischen dem Schuljahr 2018/19 und dem jetzt ausgelaufenen Jahr 2022/23 ist die Zahl der Schulen, in denen der Unterricht wählbar ist, zwar um gut zehn Prozent von 351 auf 387 gestiegen. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) ist stolz auf diesen Erfolg. Und auch Münchner Bildungseinrichtungen bieten ihn an.

Michael Piazolo (Freie Wähler), Bayerns Staatsminister für Unterricht und Kultus.
Michael Piazolo (Freie Wähler), Bayerns Staatsminister für Unterricht und Kultus. © Peter Kneffel/dpa

Islam-Unterricht in München und Bayern: "Eine Erfolgsgeschichte"

Allerdings gibt es insgesamt 3.860 allgemeinbildende staatliche Schulen im südlichsten Bundesland. Experten gehen deshalb davon aus, dass die Zahl muslimischer Schüler, die gerne einen solchen Unterricht hätten, diesen aber nicht angeboten bekommen, sehr hoch ist.

Patrick Franke, Professor für Islamwissenschaft an der Uni Bamberg, spricht in der AZ von "einem guten Projekt". Und auch der Islamwissenschaftler und Rechtsexperte Mathias Rohe nennt die Einführung des Islamischen Unterrichts im Freistaat "grundsätzlich eine Erfolgsgeschichte". Es gebe bei Eltern und teilnehmenden Schülern eine "große Zufriedenheit mit dem Wahlpflichtfach", so der Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im AZ-Gespräch.

Islamwissenschaftler und Rechtsexperte Mathias Rohe.
Islamwissenschaftler und Rechtsexperte Mathias Rohe. © picture alliance / dpa

Islam-Unterricht: Lehrer in München und Bayern haben "eine gute Ausbildung"

Immerhin: Zwischen dem Schuljahr 2018/19 und dem ausgelaufenen Jahr 2022/23 ist die Zahl der Schüler laut Kultusministerium um gut ein Fünftel auf nunmehr 19.414 gestiegen.

Dass der Unterricht von immer mehr Kindern und Jugendlichen angenommen wird, liege "auch daran, dass die Lehrer eine gute Ausbildung haben". Für den Experten, der sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Islam-Unterricht in Deutschland beschäftigt, ist klar: "Die Kinder bekommen eine solide religiösen Ausbildung im deutschen Schulsystem. Und sie fühlen sich als Menschen angenommen."

"Bayern war hier beim Islam-Unterricht mal führend, aber wir sind zurückgefallen"

Er verweist allerdings darauf, dass die Zahl der Schüler, die einen Islam-Unterricht besuchen, in anderen Bundesländern mittlerweile zum Teil höher sei als im Freistaat. "Bayern war hier mal führend. Aber wir sind zurückgefallen." Dies liege vor allem daran, dass es hierzulande zu wenige Lehrer für das Fach gebe.

Es würden sich auch deshalb zu wenige Studierende finden, weil Islamischer Unterricht im Freistaat im Lehramtsstudium nur ein Zusatzfach sei. "Woanders können Sie das Fach auch als Hauptfach nehmen", sagt Rohe. Ebenfalls eine Rolle spiele, dass manche Direktoren dem Fach noch immer skeptisch gegenüberstünden. Mitunter würden Islamkundelehrer für andere Fächer eingesetzt.

Die Rolle des Islam-Unterrichts: "Radikalisierung junger Muslime verhindern"

Rohe findet aber auch viele lobende Worte: Es sei in Bayern ebenso wie in anderen Bundesländern gelungen, den Islam-Unterricht so zu gestalten, dass er sich auf dem Boden der Verfassung bewege. Dies hätten auch bundesweite Evaluationen gezeigt. "Er leistet einen großen Beitrag, um eine Radikalisierung junger Muslime zu verhindern. Schließlich wird in den Sozialen Medien und in den Suchmaschinen leider auch viel Schrott, ja mitunter sogar gefährliches Gedankengut über den Islam verbreitet", weiß der Wissenschaftler.

Europaweit würde Deutschland für seinen Islam-Unterricht "beneidet". Denn hierzulande gelte in der Regel: "Das Klassenzimmer ist die bessere Quelle als das Internet."

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