Radentscheid München: Initiatoren sehen kaum Fortschritte
München - Vor einem Jahr feierten die Initiatoren vom Bürgerbegehren "Radentscheid" und "Altstadt-Radlring" schon einmal auf dem Marienplatz. Damals präsentierten sie die 160.000 Unterschriften, die beim Entscheid zusammengekommen sind.
Jetzt, ein Jahr später, stehen die Radl-Aktivisten wieder auf dem Marienplatz. Dieses Mal dabei: sechs Geschenkboxen, quasi zum ersten Geburtstag des Radentscheids. Doch die Boxen sind alle leer. Denn die Wünsche, die auf ihnen stehen, seien bisher größtenteils unerfüllt geblieben, kritisieren die Initiatoren. Die Bilanz:
An vielen Stellen unsicher, wann Verbesserungen für Radler kommen
Altstadt-Radlring: Andreas Groh, Sprecher des Radentscheids und erster Vorsitzender des ADFC, kritisiert das Tempo der Stadtverwaltung. Obwohl man zufrieden sei, dass die ersten Abschnitte – die Blumenstraße und der Thomas-Wimmer-Ring – demnächst gebaut werden sollen, schimpft er: "Bei wichtigen Abschnitten, wie der Sonnenstraße und der Brienner Straße, ist leider noch offen, wie und wann hier die Verbesserungen für die Radler kommen. Obwohl eine unverzügliche Umsetzung beschlossen wurde."

Pop-Up-Radwege: Dort, wo vor Kurzem noch Auto-Fahrspuren waren, befinden sich jetzt die gelb aufgemalten Radl-Spuren: Auf fünf großen Straßen gibt es die temporären Pop-up-Radwege. Sie gehören bis auf die Rosenheimer Straße zu den 20 bereits beschlossenen Straßen, die langfristig umgebaut werden sollen.
Doch Dagmar Modrow (Linke), Mitglied im Lenkungskreis des Radentscheids, klagt: "Die Radwege entsprechen nicht dem Radentscheid-Standard, da sie weder breit genug noch baulich vom Autoverkehr getrennt sind."
Das Baureferat weist diese Kritik auf Anfrage der AZ zurück: Die Radlwege seien zwischen 2,30 und drei Metern breit. Der Radentscheid fordert mindestens 2,30 Meter.
Bisher kein Radweg gebaut: "Wir wollen endlich Bagger sehen!"
Kreuzungen: "Erst vor wenigen Tagen ist ein 87-jähriger an einer Kreuzung überfahren und getötet worden", sagt ÖDP-Stadträtin Sonja Haider. Sie prangert an: "Trotz Radentscheid und Vision Zero wurde noch keine Kreuzung umgebaut und sicherer gemacht." Nur, wenn sich die Menschen auf dem Rad sicher fühlen, könne man sie zum Umsteigen bewegen, erinnert sie. Die Forderungen des Radentscheids: unverparkbare Einmündungen und Schrittgeschwindigkeit an Einmündungen und Kreuzungen. Letzteres wolle man durch bauliche Maßnahmen umsetzen.
40 neue Radwege: Die ersten 20 Straßen, die radlfreundlich umgebaut werden sollen, sind beschlossen. 20 weitere sollen noch folgen. Gebaut ist jedoch noch kein einziger! "Wir wollen jetzt endlich Bagger sehen", fordert Radentscheid-Sprecherin Katharina Horn.

Grünen-Stadträtin Gudrun Lux sagt: "Für die Umsetzung des Radentscheids wurden 30 Stellen beschlossen – bis heute ist keine einzige besetzt."
Stadtrat Andreas Schuster (SPD), auch im Lenkungskreis des Radentscheids, gibt auf AZ-Anfrage bekannt: "Unsere SPD-Volt-Fraktion hat diese Woche nachgehakt – die Stellen werden in Kürze ausgeschrieben." Für ihn sei das "der Knackpunkt für die schnellstmögliche Umsetzung des Radentscheids".
Forderung: Mehr Radl-Parkplätze und sicheres Radlnetz
Radl-Parkplätze: "In München braucht es mehr gscheite Abstellmöglichkeiten fürs Radl", findet Gudrun Lux. Die Grünen-Stadträtin will deshalb eine große Radl-Parkhaus-Offensive. Ihre Forderung: An allen Fernbahnhöfen in der Stadt soll es Radl-Parkhäuser geben. "Mehrstöckig, hell, bewacht und mit einer Service-Station für kleinere Reparaturen", so stellt Lux sich die Radl-Parkhäuser vor.
Radlnetz: Martin Hänsel vom Bund Naturschutz fordert: "Ohne ein durchgängiges, sicheres Wegenetz für Radler bleiben Einzelaktionen nur Feigenblätter." Deshalb soll der Radentscheid spätestens im Jahr 2025 komplett umgesetzt sein.
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