"Rabiat. Faul. Ein Tier"
Krailling/Peißenberg- Halbfertig steht das rosa getünchte Haus am Ortsrand von Peißenberg. Unter der Eingangstür ragen Eisenträger heraus, am Balkon fehlt das Geländer, die Doppelgarage hat kein Tor. Hier lebte der mutmaßliche Kindermörder Thomas S. mit seiner Familie. Der 50-Jährige ist selbst Vater von vier Kindern: seine drei Buben sind acht, zehn und 13 Jahre alt. Das Mädchen ist gerade fünf.
Am Freitag, um 17 Uhr, kommt Thomas S., der als Zusteller bei der Post Feldafing arbeitet, von der Arbeit. Seine Kinder sind im Haus. Als der bullige Mann gerade an den Kinderfahrrädern durch die Garage gehen will, springen 20 Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) aus ihren Autos, überwältigen ihn.
„Wir haben eine tatrelevante DNS-Spur, die wir ihm eindeutig zuordnen konnten“, sagt Soko-Chef Markus Kraus. Thomas S. wurde in München bis weit nach Mitternacht von der Mordkommission vernommen.
Er zeigte keine emotionale Regung. Er wirkte distanziert und machte einen desinteressierten Eindruck“, sagt Kriminaloberrat Kraus. Zu dem Vorwurf, dass er neun Tage zuvor die Kinder seiner Schwägerin - seine Nichten Chiara (8) und Sharon (11) – kaltblütig mit einem Küchenmesser und einer Hantel umgebracht haben soll, schwieg der Onkel. Antwortete er anfangs noch auf manche Fragen der Polizisten, schweigt er seit dem Wochenende ganz. Am Samstag erging Haftbefehl wegen zweifachen Mordverdachts.
Die Bewohner in Peißenberg sind schockiert. Wer sich hier umhört, erfährt: Der Postzusteller, der im Gegensatz zu einer Frau einen ungepflegten Eindruck machte, war vielen unsympathisch. Er galt als Sonderling. Thomas S. lebte mit seiner Frau Ursula völlig zurückgezogen. Eine ehemalige Vermieterin sagt: „Er sprach kaum. Obwohl er ein Jahr auf unserem Hof lebte, hatten wir kaum Kontakt. Er blieb immer im Haus.“
Auch nachdem die Familie in ihren Neubau in Peißenberg gezogen war, blieb Kontakt mit den Nachbarn selten. „Es war schon was Besonderes, wenn er mal gegrüßt hat“, sagt ein Vater über Thomas S. „Stattdessen hat man nur gehört, wie er mit seinen Kindern herumschreit. Die hatten kein schönes Leben.“
Der älteste Sohn (13) musste angeblich beim Bau helfen. „Er schleppte schwere Steine“, berichtet ein Vater aus der Nachbarschaft. Die Buben sollten auch den Garten umgraben. Einer Nachbarin fiel auf, dass der Vater „rabiat mit den Kindern umging“.
Auf einem Bauernhof, auf dem die Familie zeitweise gewohnt hatte, um die Monate zu überbrücken, bis sie in ihr Haus ziehen konnte, waren die Kinder oft sich selbst überlassen. „Das war gefährlich. Wir arbeiten ja hier alle mit großen Maschinen“, sagt die damalige Vermieterin Stefanie Träger. „Die Kinder hatten immer Gummistiefel an und zerrissene Hosen, die sahen schon sehr ärmlich aus“, sagt ein Bauer. „Im Winter sind sie mit Klapperlschuhen draußen rumgelaufen“, berichtet eine andere Nachbarin. In einem Wutanfall soll der Vater einen seiner Söhne die Treppe heruntergestoßen haben, erzählt man sich zudem in Peißenberg. „G’schlamperte Verhältnisse“, nennt es ein Nachbar. „Das war ein Fauler.“
Eine Frau, die zeitweise bei der Familie auf die Kinder aufpasste, beschreibt den 50-Jährigen als sehr grob mit den Kindern. „Das ist ein Tier“, sagt sie über ihn.
Auch gegenüber den Menschen, die der Familie, die permanent unter Geldnot litt, half, verhielt er sich sehr merkwürdig. Ein Vater aus der Schule, die zwei der Buben besuchen, organisierte eine Übergangswohnung für die Familie, als ihr gekündigt worden war. „Ich hab’s wirklich gern gemacht. Aber er hat nicht einmal danke gesagt.“
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