Psychiater schlagen Alarm: Jedes fünfte Kind ist krank

MÜNCHEN - Sie leiden an schweren psychischen Erkranken. Die Gründe liegen in der hohen schulischen und familiären Belastung. Die neue Kinderklinik in der Nußbaumstraße soll helfen.
Kinder, die morgens schon zu traurig sind, um in die Schule zu gehen, oder zu schwach, weil sie seit Wochen nichts mehr essen, sind keine Einzelfälle. „Jedes 20ste Kind in Deutschland leidet an einer schweren psychischen Erkrankung“, sagte der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch gestern bei der Eröffnung der neuen Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Ludwig-Maximilians-Universität in der Nußbaumstraße. Nimmt man die Zahl aller Kinder, die mit psychischen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, dann müsste sogar jedes fünfte Kind in Behandlung. 30 von ihnen sollen in der neuen Kinderklinik lernen, wieder Freunde am Leben zu finden.
15 Jahre dauerte die Planung des Klinikgebäudes in der Nußbaumstraße. Dafür wurde ein Teil der Erwachsenenpsychiatrie abgerissen und ein lichter Neubau mit bunten Jalousien errichtet – für 8,25 Millionen Euro. Verschiedene bekannte Therapieformen, wie die klassische Verhaltenstherapie oder Kunst- und Ergotherapien, werden hier angewandt und auf ihre Wirksamkeit hin erforscht. Dabei werden in der Klinik Fachärzte ausgebildet.
Auf drei Stationen leben Kinder und Jugendliche mit Depressionen und Essstörungen. Neben der Therapiestunden werden die Kinder in den Schulräumen unterrichtet. Helle Räume mit hohen Decken, dunklen Parkettböden, die Möbel sind in Rot und Gelb-Tönen gehalten. Auch im dritten Stock, dem geschlossenen Bereich, sieht es nicht anders aus. Nur die abgeschrägten Türgriffe und doppeltverglasten Fenstern deuten darauf hin, dass hier bald acht Kinder leben werden, die Gefahr laufen, sich oder anderen Menschen wehzutun.
Die Gründe, warum Kinder in derartige Notlagen geraten, sind vielfältig. „Große Belastungen in der Schule oder problematische Familienverhältnisse können Kinder krank machen“, erklärt Klinik-Direktor Professor Gerd Schulte-Körne. „Aber schwere Psychosen und Depressionen sind meist genetisch bedingt und treffen Kinder, die ja noch in der Entwicklung stecken, besonders hart.“
Wenn es darum geht das Kind in stationäre Behandlung zu geben, ist die Hemmschwelle für Familien sehr hoch, erklärt Professor Gerd Schulte-Körne. Diese Hemmschwelle soll mit der neuen Klinik abgebaut werden.J.Jauernig