Prügel im Hippodrom: Video aufgetaucht
Aus dem Hippodrom ist jetzt ein Video aufgetaucht. Es zeigt, wie nach einem eskalierten Streit von Gästen mit einer Bedienung Securitys eingreifen. Ergebnis: ein blutüberströmter junger Mann.
MÜNCHEN - „Das habe ich noch nie erlebt! Das ist ja wohl die Höhe!“, sagt das Mädchen, das mit zitternden Händen die Kamera hält. Auf den Aufnahmen, die der AZ vorliegen, ist ihr Freund zu sehen. Auf dem Boden. Mit Handschellen. Und dem Gesicht nach unten. Im Hippodrom, dem Wiesn-Zelt von Sepp Krätz.
Der Vorfall, über den die AZ in ihrer gestrigen Ausgabe exklusiv berichtete, ist am 1. Oktober passiert. Der Münchner Andreas K. sitzt mit seiner Familie im Hippodrom. Die Gruppe fühlt sich von der Bedienung schlecht behandelt. Angeblich soll sie verlangt haben, dass jeder am Tisch 90 Euro konsumiert. Eine Aussage, die von der Mitarbeiterin vehement bestritten wird. „Es wurde kein Konsumzwang ausgeübt“, sagt Sepp Krätz. Fest steht: Der Streit eskaliert, Security-Mitarbeiter greifen ein. Das Ergebnis: ein blutüberströmter junger Mann. Andreas K. und sein Cousin, der zwei blaue Augen davontrug, erstatten Anzeige bei der Polizei. Die ermittelt jetzt nach AZ-Informationen gegen drei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes. Wegen gefährlicher Körperverletzung. In den Unterlagen der Polizei werden sie als „Beschuldigte“ geführt, was über die Schuldfrage allerdings noch nichts aussagt.
Was den Fall so kompliziert macht: Beide Seiten schildern die Ereignisse des letzten Wiesn-Samstags komplett anders. Während Sepp Krätz sagt, dass sich die jungen Männer gegenüber der Bedienung „aggressiv und ausfallend“ verhalten hätten, behauptet Andreas K., dass die Security-Mitarbeiter von Anfang an gewalttätig gewesen seien. „Wir wurden geschlagen“, sagt er. „Ich spürte ein Paar Knie, die sich mir brutal in die Rippen pressten.“ Die Sicherheitsleute hätten ihm die Schulter verdreht. „Ich hatte Angst, dass sie sie mir brechen“, so der Servicetechniker.
Video der Freundin aufgetaucht:
Jetzt ist ein Video aufgetaucht, das seine Freundin während des Vorfalls gedreht hat. Es sind chaotische, unübersichtliche Bilder. Ein Sicherheitsmann stellt sich immer wieder direkt vor die junge Frau und verdeckt somit die Sicht auf seine Kollegen, die auf dem am Boden liegenden Andreas K. knien. Was man erkennen kann: Die Sicherheitsleute machen mit den Armen ruckartige Bewegungen – ob es sich dabei um die angeblichen Schläge handelt, lässt sich anhand des Videos nicht zweifelsfrei beurteilen. „Die Verletzungen haben sich die beiden Herren beim ,Bodenkampf’ zugezogen, keinesfalls durch Schläge ins Gesicht“, sagt Krätz. Sichtbar ist, dass der junge Mann die ganze Zeit gefesselt ist – und sich mehrere Security-Mitarbeiter mit schwarzen Handschuhen intensiv um ihn kümmern. Sein Gesicht liegt auf dem Boden des Hippodroms auf. Dabei zog er sich nach eigenen Angaben den Nasenbeinbruch zu. Am Ende des Videos zählen die kräftigen Männer auf Drei und heben Andreas K. mit den gefesselten Händen auf dem Rücken an. „Das war schmerzhaft“, sagt er. Die Handschellen seien zu eng gewesen. Dann bricht der Film ab.
Haben die Sicherheitsleute eigenverantwortlich gehandelt?
Die ermittelnde Polizei wartet jetzt auf die Stellungnahme des Sicherheitsdienstes, um sich ein vollständiges Bild zu machen. Im Protokoll der Security-Mitarbeiter heißt es, dass einer der Männer sie attackierte und sogar zu beißen versuchte. Andreas K. bestreitet das. Eine Anzeige hat die Firma bis heute nicht erstattet. Sie behalte sie sich aber vor, lässt Krätz mitteilen. „Wenn die Vorwürfe des jungen Mannes der Wahrheit entsprechen, ist das unerträglich“, sagt Dieter Reiter, der als Wirtschaftsreferent der Stadt auch für das Oktoberfest zuständig ist. „Bei allem Stress, dem die Sicherheitsleute ausgesetzt sind, dürfen sie niemals über die Stränge schlagen. Körperliche Präsenz lässt sich auch auf andere Weise ausüben“, so Reiter. Dem Wirt Sepp Krätz könne man den Vorfall nicht anlasten. „Er hat getan, was er tun muss und einen Sicherheitsdienst beauftragt“, stellt Reiter klar. Auch der Anwalt von Krätz weist darauf hin, dass die Sicherheitsleute hier „eigenverantwortlich“ gehandelt haben. Reiter möchte als Konsequenz in Zukunft noch stärker darauf achten lassen, dass die „Eignung“ der auf der Wiesn eingesetzten Security-Mitarbeiter überprüft wird.