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Prozess um millionenschweren Betrug bei Corona-Soforthilfen

Der Angeklagte stellt im Frühjahr 91 Anträge über 2,5 Millionen Euro. Doch die Behörden kommen ihm recht schnell auf die Schliche.
von  John Schneider
Can G. (31, Name geändert) vor Gericht.
Can G. (31, Name geändert) vor Gericht. © Daniel von Loeper

München - Er sei nach Bayern verschleppt worden, sagt Can G. (31, Name geändert). Die Ermittler hatten ihn in Niedersachsen festgenommen. Und dann nach München gebracht. Seit neun Monaten sitzt der Mann, dem Subventionsbetrug und versuchter Subventionsbetrug in mindestens 91 Fällen vorgeworfen wird, in Stadelheim. Zu Unrecht, wie er findet und beim Prozessauftakt am Montag langwierig begründen will.

Zu Recht, hält die Staatsanwaltschaft dagegen. Corona-Soforthilfen der ersten Welle sollten helfen, wirtschaftliche Notlagen abzufedern. Die Ermittler haben herausgefunden, dass Can G. dies ausnutzte, um als angeblich betroffener Unternehmer im März und April in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Saarland, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Berlin jeweils unter der Verwendung von Scheinidentitäten unberechtigterweise Corona-Soforthilfe zu beantragen. Wären diese alle ausbezahlt worden, wären über 2,5 Millionen Euro auf sein Konto überwiesen worden.

Betrug mit Corona-Hilfen: Identitäten von Unternehmensinhabern genutzt

Seine Methode: Um gegenüber den Auszahlungsbehörden die Voraussetzungen einer Corona-Soforthilfeberechtigung jeweils glaubhaft erscheinen zu lassen, verwendete der Angeschuldigte in seinen Anträgen den Namen entweder realer oder fiktiver Unternehmen von der Bäckerei bis hin zum Fitness-Studio sowie regelmäßig die Identitäten dritter Personen als Unternehmensinhaber.

Can G. soll zu diesem Zweck über eine Vielzahl an Kopien von Personalausweisen und Reisepässen dritter Personen verfügt haben. Die Zahlungen sollten auf sein Konto bei der Sparkasse Dortmund überwiesen werden und von dort über ausländische Kryptowährungsbörsen an seinen Wohnort London transferiert werden. Nur in drei Fällen gelang die Täuschung. Die Investitionsbank Berlin, die Landesbank Hessen-Thüringen und die Landeskreditbank Baden-Württemberg zahlten bis zur Entdeckung der Taten in drei Fällen an den Angeschuldigten Corona-Soforthilfen in Höhe von insgesamt 67 776 Euro. In mindestens zehn weiteren Fällen erhielt der Angeschuldigte Bewilligungsbescheide zu den von ihm beantragten Corona-Soforthilfen. Die Auszahlungen standen also bald an. Doch dann flog Can G. auf. Die Behörden waren beim Abgleich der Antragsdaten misstrauisch geworden.

23 Anträge allein in München

Allein in München soll der 31-Jährige Corona-Hilfen in 23 Fällen beantragt haben. Hätten die Behörden nicht aufgepasst, wären so 1,1 Millionen Euro in seine Tasche geflossen. Bundesweit dürften noch zahlreiche ähnliche Prozesse die Gerichte beschäftigen. "Kriminelle nutzten die aktuelle Notlage aus, um sich finanziell zu bereichern", heißt es beim Bundeskriminalamt. Der Deutsche Richterbund spricht von deutlich mehr als 20.000 Fällen mit Pandemie-Bezug.

Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums betont, dass Betrug mit Corona-Hilfen inzwischen deutlich schwieriger sei als zu Beginn der Pandemie. Die Überbrückungshilfe, die sich an die Soforthilfe aus dem Frühjahr anschloss, habe schon ein "prüfender Dritter" wie etwa ein Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer beantragen müssen. Dies vermeide Missbrauch.

Nachdem er sich stundenlang an den Umständen seiner U-Haft abgearbeitet hat, wird Can G. schließlich vom Vorsitzenden Richter unterbrochen. Und der Angeklagte kommt danach tatsächlich noch zum Punkt. Der 31-Jährige gibt zu, die Anträge gestellt zu haben. Der Prozess wird fortgesetzt. 

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