Prozess um Dachau-Killer: Jetzt spricht die Witwe
„Sie haben ihn mir genommen und warum? Sie kannten Tilman gar nicht“: Die Witwe des ermordeten Staatsanwaltes hat sich beim Prozess direkt an den Angeklagten gewandt.
München - Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft für den Todesschützen aus dem Dachauer Amtsgericht. Außerdem solle die besondere Schwere der Schuld festgestellt werden. Der Angeklagte habe den jungen Staatsanwalt „kaltblütig ermordet“, sagte Staatsanwältin Nicole Selzam am Donnerstag vor dem Landgericht München. Die Witwe des Getöteten wandte sich direkt an den Angeklagten. „Sie haben ihn mir genommen und warum? Sie kannten Tilman gar nicht“, sagte sie. „Er hat nur seine Arbeit gemacht.“
Am 11. Januar dieses Jahres hatte der insolvente Transportunternehmer den 31 Jahre alten Staatsanwalt im Gerichtssaal erschossen und mehrere Schüsse auf die Richterbank abgefeuert. Kurz zuvor war er wegen nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge zu einer Bewährungsstrafe und zur Zahlung von rund 1000 Euro für einen gemeinnützigen Zweck verurteilt worden.
Den Prozess verfolgt der schwer kranke Angeklagte vom Krankenbett aus. Wegen einer Blutvergiftung waren ihm beide Beine abgenommen worden. Der 55-Jährige habe die Tat eingeräumt – „allerdings ohne jede Einsicht und Reue“, sagte die Staatsanwältin. Wenn er die Möglichkeit dazu hätte, sei ein weiterer „Rachefeldzug gegen die Justiz“ nicht auszuschließen. Selzam sprach von „absolutem Vernichtungswillen“ und forderte eine Verurteilung wegen Mordes und versuchten Mordes.
Die Witwe sagte, es interessiere sie nicht, ob der Angeklagte ein schweres Leben habe oder gehabt habe. „Sie haben sich entschlossen, an diesem Tag im Januar eine Waffe in den Gerichtssaal zu bringen“, sagte sie zu dem 55-Jährigen. „Mit den Entscheidungen, die Sie getroffen haben, haben Sie mein Leben ruiniert.“
„Das was Sie getan haben, war sinnlos und es gibt keine Entschuldigung dafür“, sagte sie. „Und sie bereuen es nicht einmal.“ Sie fügte hinzu: „Er war unschuldig.“ Tilmann sei großherzig, „ehrlich und aufrichtig“ gewesen und habe immer an das Gute geglaubt.
„Tilmann war so voller Leben.“
Unter Tränen schilderte die Witwe: „Tilmann war so voller Leben.“ Er habe Richter werden wollen. „Es kam ihm darauf an, etwas Gutes, Sinnvolles mit seinem Leben anzufangen.“ Die Tat sei besonders schwer zu verarbeiten, weil sie so sinnlos sei. „Er war ein Mann, der diesen Hass nie verdient hatte.“ Sie und der 31-Jährige seien so glücklich gewesen. „Ihn gekannt zu haben, hat mich zu einem besseren Menschen gemacht. Und ohne ihn ist die Welt zweifellos ein großes Stück ärmer geworden.“
Die Eltern des getöteten Staatsanwaltes meldeten sich am Donnerstag ebenfalls zu Wort. Sie gingen auch hart mit der bayerischen Justiz ins Gericht. Ihr Sohn sei „ein beklagenswertes Opfer der bayerischen Justiz“, sagte die Mutter. „Ein Metalldetektor hätte Tilman das Leben gerettet.“Für den Nachmittag wurde das Plädoyer des Wahlverteidigers Maximilian Kaiser erwartet, dessen Auftreten vor Gericht immer wieder für Unverständnis bei Prozessbeteiligten gesorgt hatte. So hatte der Anwalt im Laufe der Verhandlung wutentbrannt den Gerichtssaal verlassen, weil die Kammer ihn nicht zum Pflichtverteidiger seines insolventen Mandanten machen wollte und seine Bezahlung damit nicht gesichert ist.
Am Mittwoch hatte er noch eine Vielzahl von Anträgen eingebracht - darunter sogar einen auf Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrensfehlers. Dieser wurde am Donnerstagmorgen abgewiesen. „Was hier durch den Herrn Wahlverteidiger veranstaltet wurde, war nur noch beschämend“, sagte ein Vertreter der Nebenklage. Der Anwalt und sein Mandant hätten aus dem Blick verloren, worum es in dem Prozess gehe: „Der Schwerpunkt war hier der Mord an Tilman.“ Eine weitere Vertreterin der Nebenklage sagte: „Was Sie hier abgezogen haben, das war ein unwürdiges Schmierentheater, das man Angehörigen eigentlich nicht zumuten kann.“
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