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Prozess: U-Bahn-Fahrer gesteht Missbrauch eines zwölfjährigen Jungen

Der 23-Jährige hat sich an einem Buben vergangen. Er räumt die Vorwürfe "voll umfänglich" ein - und bittet die Opfer vor Gericht um Entschuldigung.
von  John Schneider
Der Angeklagte sitzt im Landgericht München I auf seinem Platz. Der 23-jährige U-Bahnfahrer muss sich u.a. wegen sexuellem Missbrauch an einem Zwölfjährigen verantworten.
Der Angeklagte sitzt im Landgericht München I auf seinem Platz. Der 23-jährige U-Bahnfahrer muss sich u.a. wegen sexuellem Missbrauch an einem Zwölfjährigen verantworten. © dpa/Tobias Hase

München - Herbst 2020: An der Münchner Freiheit steigt ein Bub (12) in die U-Bahn nach Großhadern. So wie er es mit U-Bahn-Fahrer Hans T. (23, Name geändert) per WhatsApp und Snapchat verabredet hatte. 

Staatsanwaltschaft geht von sieben Fällen des sexuellen Missbrauchs aus

Der Fahrer steuert die Endhaltestelle am Klinikum an, verlässt dann die Fahrerkabine und setzt sich zu dem Zwölfjährigen in den Passagierbereich.

Das Gespräch zwischen den beiden wird schnell anzüglich, Hans T. soll dem Zwölfjährigen laut Anklage Oralsex vorgeschlagen haben, was dieser ablehnt. Der U-Bahn-Fahrer habe den Buben gestreichelt und geküsst.

Die Anklage zählt sechs weitere solcher Begegnungen auf, bei denen der Bub missbraucht wurde. Bei einer Gelegenheit auf der Abstellgleisanlage in Fröttmaning ließ der Angeklagte den Buben in die Fahrerkabine, schenkte ihm eine Tafel Schokolade und ein Armband, bevor er den Buben erneut küsste und erneut Oralsex vorschlug.

Die Staatsanwaltschaft geht von sieben Fällen des sexuellen Missbrauchs aus. Der 23-Jährige ist auch wegen Verbreitung von Kinderpornografie angeklagt, hat sich zudem an weitere Kinder herangemacht und ihnen in Chats Nacktbilder von sich geschickt. Zwei kinderpornografische Bilder hatte Hans T. auch dem Zwölfjährigen per WhatsApp zugeschickt.

Angeklagter räumt "schwere Fehler" ein

Nach Verlesung der Anklage erklärt Anwalt Benedikt Stehle, dass sein Mandant die Vorwürfe "voll umfänglich" einräumt. Es tue ihm sehr leid.

Dann ergreift Hans T. selber noch mal das Wort. Er habe in der langen U-Haft Zeit gehabt nachzudenken und die "bittere Erkenntnis" gewonnen, dass er "schwere Fehler" gemacht habe. Er sei in Beziehungen schon immer "oft über das Ziel hinausgeschossen", habe keine richtige Balance finden können.

U-Bahn-Fahrer stand zum Zeitpunkt der Tat unter Bewährung

Zu der Zeit der Übergriffe habe er seinen Vater verloren, unter großen Verlustängsten gelitten und sich an Beziehungen geklammert: "Mein Ziel war es keinesfalls, jemandem zu schaden." Er wolle die "Geschädigten um Entschuldigung bitten".

Das spricht zu seinen Gunsten. Was sich strafverschärfend auswirken wird: Der U-Bahn-Fahrer stand unter Bewährung, als er sich an dem Kind verging. 2019 war er wegen Vergewaltigung und Nötigung zu einer Jugendstrafe verurteilt worden.

MVG reagiert auf Vorwürfe

2018 war bereits ein anderer Münchner U-Bahn-Fahrer zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden, weil er eine 18-Jährige vergewaltigt hatte, die betrunken in seiner Bahn eingeschlafen war.

Der Angeklagte wurde laut MVG im November 2020 nach seinem Dienst verhaftet. Sein Anwalt habe kurz darauf dessen Kündigung bei der MVG eingereicht. Die MVG lege bei der Einstellung neuer Mitarbeiter Wert "auf einen einwandfreien Leumund", der durch ein Führungszeugnis bestätigt werden muss, so ein Sprecher.

Urteilsspruch voraussichtlich am 8. Juli 

"Sollte eine Kollegin oder ein Kollege durch straffälliges Verhalten auch während ihrer/seiner Dienstzeit auffällig werden, würden wir entsprechende Maßnahmen ergreifen."

Auch bei der Einstellung des angeklagten U-Bahn-Fahrers im Jahr 2019 hatte die MVG ein Führungszeugnis angefordert, so ein Sprecher zur AZ. In diesem habe sich damals aber noch kein Eintrag befunden.

Nach dem Geständnis schickt Richter Matthias Braumandl die Zuschauer aus dem Gerichtssaal. Das Gericht will sich die Videos der Opfervernehmungen ansehen.

Das Urteil könnte am 8. Juli fallen.

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