Prozess: Münchner Polizist tritt gehörlosen Mann
München - Diese junge Frau hat Rückgrat. Ein paar Tage musste sie überlegen, dann erstattete die 20-jährige Polizeianwärterin Anzeige gegen einen älteren Kollegen. "Weil ich falsch fand, was passiert war", erklärte sie am Mittwoch vor Gericht.
Sie habe beobachtet, berichtet die 20-Jährige als Zeugin, wie der Bundespolizist am 11. März des vergangenen Jahres in einer Gewahrsamzelle am Hauptbahnhof einen gefesselten, weil randalierenden gehörlosen Mann (20) in Fußballermanier gegen die Seite getreten habe. Das Opfer habe danach ein schmerzverzerrtes Gesicht gehabt, berichtete die angehende Polizistin in der Verhandlung am Amtsgericht.
Tritt gegen Gehörlosen - Opfer kann sich nicht erinnern
Im Prozess berichtet das Opfer – das von einem Gebärdensprachdolmetscher übersetzt wird – von dem Tag, an dem die Tat passiert sein soll. Er hatte Streit mit den Eltern gehabt, habe sich betrunken und wollte sterben. Deswegen sei er in die S-Bahn-Gleise gesprungen. Er wurde von den Bundespolizisten aber wieder auf den Bahnsteig geholt. An die Tritt-Attacke auf ihn könne er sich nicht erinnern.
Hans F. (55, Name geändert) wurde von der Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung im Amt angeklagt. Den Tritt gibt er zu, aber er habe eine Selbstverteidigungstechnik angewandt und den auf dem Boden sitzenden Mann mit dem Fuß lediglich zur Seite geschubst – ohne jede Verletzungsgefahr. Der Grund: Der Randalierer habe ihn in diesem Moment anspucken wollen.
Disziplinarverfahren gegen Polizisten geplant
In dem ungewöhnlichen Prozess hat der Angeklagte seinen Sohn mitgebracht, um die Tritt-Technik zu demonstrieren. Doch selbst nach dieser Demonstration bleibt die 20-jährige Belastungszeugin bei ihrer Version. Das Opfer wurde wie der Fußball beim Elfmeter in die Seite getreten, sagt sie – und nicht nur umgeschubst.
Die Richterin glaubt ihr. Hans F. wird zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Auch disziplinarisch könnte das Verfahren Konsequenzen haben. Das laufende Disziplinarverfahren wurde für die Dauer des strafrechtlichen Prozesses unterbrochen.
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