Prozess in München: "Das Geld bringt uns meine Frau nicht zurück"

Obwohl eine vierfache Mutter in Lebensgefahr ist, schickt ihr Hausarzt sie nicht sofort in eine Klinik. Später lässt sie auch eine Klinikärztin gehen. Der Witwer fordert Schadenersatz.
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Josef H. mit seinen vier Kindern Max, Theresa, Peter und Josef junior vor dem Oberlandesgericht.
Josef H. mit seinen vier Kindern Max, Theresa, Peter und Josef junior vor dem Oberlandesgericht. © Nina Job

München - Der kleine Max war ein Säugling, gerade mal zehn Tage alt, als seine Mutter starb. Seine große Schwester war 13, die Brüder 15 und 17. Neun Jahre sind seitdem vergangen.

Neun Jahre ohne Mutter und Ehefrau. Der Vater der Kinder, Bio-Landwirt Josef H. wirft dem früheren Hausarzt der Familie vor, dass er nicht erkannt hat, in welch lebensbedrohlicher Lage seine Frau war.

Den Ernst der Lage nicht erkannt?

Obwohl sie einen Darmverschluss hatte, soll er nicht eindringlich genug darauf gedrängt haben, dass Barbara H. ins Krankenhaus hätte gehen müssen.

Und auch später, als Barbara H. sich dann doch in der Klinik vorstellte, erkannte eine Ärztin offenbar ebenfalls den Ernst der Lage nicht. Barbara H. wurde nicht gestoppt, als sie wieder nach Hause zu ihren Kindern wollte. Am nächsten Tag war sie tot.

"Ein entsetzliches Schicksal", sagt der Vorsitzende Richter

Die 39-Jährige starb an den Folgen eines Darmdurchbruchs. Josef H. fordert Schadenersatz von der Versicherung des Hausarztes.

Barbara H. starb mit 39.
Barbara H. starb mit 39. © privat

Doch das Landgericht München II hatte die Klage zurückgewiesen. Es urteilte, der Tod von Barbara H. sei dem Arzt nicht anzulasten. Allerdings hat der Arzt 2013 einen Strafbefehl über 15.600 Euro akzeptiert wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen.

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Die ganze Familie ist bei der Verhandlung dabei

Josef H. hat mit seinem Anwalt Hans-Dieter Klumpe Rechtsmittel gegen das Urteil des Landgerichts München II eingelegt, nun ist der Fall vor dem Oberlandesgericht (OLG).

Die ganze Familie nimmt am Donnerstag im Saal 37 im OLG an der Prielmayerstraße Platz, der Vater auf der Klägerbank, die vier Kinder im Zuhörerbereich.

Josef H.: "Es fällt mir schwer, jeden Tag aufzustehen"

"Das Geld bringt uns meine Frau nicht zurück, aber wir könnten uns eine Haushaltshilfe leisten", sagt Josef H. Der 53-Jährige betreibt einen Hof mit Biomilch-Kühen im Landkreis Ebersberg. Der Älteste will ihn einmal übernehmen.

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Doch es laufe nicht so gut mit dem Betrieb seit dem Tod seiner Frau, berichtet Josef H. "Es fällt mir schwer, jeden Tag aufzustehen und zur Arbeit zu gehen, die mir seitdem keinen Spaß mehr macht. Wir ringen immer noch damit, in ein normales Leben zurückzufinden."

Anwalt bietet 50.000 Euro Schadenersatz an

Gerade war die Erstkommunion des kleinen Max - ohne die Mutter. "Weihnachten ohne Mama, Ostern ohne Mama, jeder Geburtstag ohne Mama - es ist sehr schwierig für uns." Der Vater und seine Kinder sind immer wieder in Therapien.

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Der Vorsitzende Richter des 1. Zivilsenats, Thomas Steiner, sagt zu der Familie, man wisse gar nicht, was man sagen solle bei so einem entsetzlichen Schicksal. Er fragt Max, wie es ihm ginge, wenn er all dies höre. "Schlecht!", antwortet der Bub - springt auf und setzt sich auf den Schoß seiner großen Schwester.

Der Richter kündigt an, dass der Senat dazu tendieren würde, zuzustimmen, dass das Gericht noch einmal in die Beweisaufnahme geht und weitere Zeugen vernimmt - mit offenem Prozessausgang. Doch eigentlich rät der Senat zu einem Vergleich. Daraufhin bietet der Anwalt der Arzt-Versicherung 50.000 Euro Schadenersatz an.

Der Vater hat nun zwei Wochen Zeit, zu entscheiden, ob er das annehmen will. "Diese Summe ist lächerlich", sagt er nach dem Prozesstermin zur AZ. Sein Anwalt Hans-Dieter Klumpe ergänzt: "Diese Summe wird der Tragik des Falles nicht gerecht."

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3 Kommentare
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  • Lackl am 02.10.2020 14:50 Uhr / Bewertung:

    Hausarzt schickt die ins Krankenhaus und die Ärzte dort sagen, dass sie bleben soll. Trotzdem geht jene Frau auf eigene Verantwortung nach Hause.
    Es gibt doch sowas wie Eigenverantortung und Verantortung des Ehemannes, dass der das Tun seiner Frau unterbindet.
    Ein Schelm, der nicht auf den Gedanken kommt, dass es doch nur ums Geld geht.

  • Kadoffesalod am 02.10.2020 10:24 Uhr / Bewertung:

    Offenbar verstehen manche nicht, worin der Vorwurf an die Ärzte besteht.

    Die Ärzte haben sehr wohl eine stationäre Aufnahme empfohlen. Die Frau wollte das aber nicht.

    Der Hausarzt hat sie offenbar sogar gedrängt, ins Krankenhaus zu gehen. Nur soll er sie nicht eindringlich genug darauf gedrängt haben.

    Die Krankenhausärztin soll die Frau nicht eindringlich genug davor gewarnt haben, auf eigenes Risiko das Krankenhaus zu verlassen.

  • DaMamaIhrBua am 01.10.2020 20:28 Uhr / Bewertung:

    In Deutschland kann man in solchen Fällen nicht mehr erwarten. Die Ärzte sind durch ihre Lobbyisten zu nah an den Schaltzentralen der Politik. Millionenbeträge sind da nicht drin.

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