Prozess: Hat ein Mann eine Behinderte vergewaltigt?
Der Schreinergehilfe Josef S. (57) soll eine 20-Jährige zum Sex gezwungen haben. Dafür steht er jetzt vor dem Münchner Landgericht. Ihm drohen mehrere Jahre Haft
München - Dreimal setzt Josef S. an. Er will etwas sagen zu der grauenhaften Tat, die ihm vorgeworfen wird. Sein Verteidiger unterbricht ihn, rät ihm, zu schweigen. Aber Josef S. lässt sich nicht aufhalten und sagt es: Dass es um 14 Uhr war, nicht um 15 Uhr.
Der Angeklagte Josef S. macht einen wirren Eindruck, doch ihm wird ein brutales Verbrechen vorgeworfen: Der 57-jährige Schreinergehilfe aus Schongau soll die geistig behinderte Eva L. (Name geändert) vergewaltigt haben.
Wegen dieses Vorwurfs muss sich Josef S. seit dieser Woche vor dem Münchner Landgericht verantworten. Zum Prozessauftakt las der Staatsanwalt die Anklage vor. Demnach lief die Tat so ab: Josef S. kannte Eva L. von Busfahrten und von ihrer Arbeit. Im Herbst 2013 lädt er die junge Frau zu sich nach Hause ein. Eva L. leidet an einer mittelgradigen Intelligenzminderung und einer Entwicklungsstörung. Ihre Mutter erlaubt den Besuch.
Als Eva L. im Wohnzimmer von Josef S. ist, lässt er die Rollläden herunter. Dann drückt er sie auf das Sofa und entkleidet sie gegen ihren Willen. Sie wehrt sich. Er macht trotzdem weiter. Laut Anklage versucht er ohne Unterlass, sie zu vergewaltigen. Aber Eva L. wehrt sich konsequent, drückt die Beine zusammen. Als Josef S. merkt, dass ihm der Geschlechtsverkehr nicht gelingt, lässt er ab.
Josef S. schaut mit glasigen Augen recht unbeeindruckt durch den Saal, als das alles vorgelesen wird. Ob er verstehe, was ihm vorgeworfen wird, fragt der Richter. „Ja“, sagt Josef S. Der Mann, der momentan in der JVA Stadelheim sitzt, wirkt beinahe etwas abwesend.
Als es um sein Leben geht, fällt ihm vieles nicht sofort ein. Nach und nach erzählt er. Von der Sonderschule, auf die er früher einmal ging. Von seinem Alkoholismus, seiner Drogenkarriere, seinen Erkrankungen. Und davon, dass er seine letzte Freundin vor 30 Jahren hatte. Dazwischen sei er ein paar Mal im Bordell gewesen.
Sein Verteidiger deutet an, dass Josef S. einen Teil der Tat gestehen wolle. Bei einer Verurteilung drohen Josef S. mehrere Jahre Haft. Der Staatsanwalt gab vor dem Prozess an, bis zu fünf Jahre für realistisch zu halten, der Verteidiger zwei Jahre und sechs Monate. Für den Prozess sind vier Verhandlungstage angesetzt, das Urteil wird voraussichtlich Anfang Juli fallen.