Prozess gegen Demjanjuk: Zeugen erzählen ihr Schicksal
MÜNCHEN - Für den Angeklagten John Demjanjuk lief der Prozesstag wieder im Liegen ab. Scheinbar teilnahmslos verfolgte er die Zeugenaussagen von Holocaust-Überlebenden und Kindern von Opfern aus dem Vernichtungslager Sobibor.
Dort, im besetzten Polen, soll John Demjanjuk (89) bei der Ermordung von 27 900 Juden im Zweiten Weltkrieg geholfen haben. Der 89-jährige gebürtige Ukrainer war als Soldat der Roten Armee in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und habe sich dann zur Zusammenarbeit mit den Nazis entschlossen.
Am Dienstag stellte sein Verteidiger Ulrich Busch erst einmal wieder einen Befangenheitsantrag, nachdem sein erster vom Gericht abgeschmettert worden war. Außerdem legte er einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens vor. Zunächst müsse geprüft werden, ob Demjanjuk überhaupt deutscher Amtsträger war. Die Staatsanwaltschaft gab Busch daraufhin gleich Kontra. Und auch der Verteidiger eines Nebenklägers, Cornelius Nestler, konnte "die permanente Wiederholung wie von einem Tonband" nicht mehr ertragen. Außerdem sei eine "krasse Willkür" der Justiz nicht zu erkennen.
Deswegen konnte dann mit den Zeugenaussagen der Nebenkläger begonnen werden. Jan Westerveld (67) wurde von seinen Eltern zu einer Pflegefamilie nach Österreich gebracht, um ihm das Leben zu retten. Erst mit 14 Jahren erfuhr er die Wahrheit über seine Herkunft, dass seine Eltern und Großeltern am 4. Juni 1943 in Sobibor ermordet worden waren. Auf einem Familienfoto, das er hat, sind 51Menschen zu sehen. "30 davon wurden ermordet." Unter Tränen sagte Westerveld, dass es für seine Eltern schrecklich gewesen sein muss, ihn zurückzulassen. "Ich habe selbst einen Sohn verloren."
"Eine Reise durch die Finsternis"
Auch Robert Fransmann (69) erzählte vom Verlust. Seine Eltern starben auch in den Gaskammern von Sobibor. Überlebt hat Jules Schelvis (88) das Grauen der Konzentrationslager. "Vernichtungslager Sobibor" und "Eine Reise durch die Finsternis" heißen seine Bücher. Auch dem Gericht schilderte er, wie 3006 Juden in Amsterdam zusammengetrieben wurden, dann ging es über das Durchgangslager Westerbork im Güterwaggon nach Sobibor.
Dort pickte sich ein SS-Mann 80 junge Männer aus den Ankömmlingen, stellte sie an einem Feld auf. Der Rest musste sich setzen. Schelvis war bei Letzteren, meldete sich aber, weil sein Schwager in der Reihe stand. Der SS-Mann fragte, ob er Deutsch könne und gesund sei. Schelvis bejahte und durfte aufstehen. Seine Rettung! Die anderen Sitzenden wurden nur eine Dreiviertelstunde später vergast. Auch seine Frau Rachel und die Schwiegereltern.
John Schneider
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