Prozess am OLG: Wirtschaftskrimi ums Augustinum
München Ein eigentlich mittelloser Interessent kauft für viele hundert Millionen Euro Seniorenresidenzen in ganz Deutschland. Das nötige Geld kommt vom Verkäufer selber, der einen entsprechenden Kredit gewährt und die verkauften Immobilien wieder anmietet.
Der Clou: Die Zinsen für das Darlehen bezahlt der „Käufer“ mit den Mieteinnahmen aus den Altersheimen. So liegen alle Vorteile beim Käufer, alle Nachteile beim Verkäufer.
Gibt’s nicht? Gibt’s doch. Die gemeinnützige Augustinum Gruppe – 1954 in Pasing von Pfarrer Georg Rückert gegründet – hat elf ihrer 23 Seniorenresidenzen an eine norddeutsche Immobilienfirma verkauft, um diese nach dem „Sale-and-lease-back“-Prinzip wieder anzumieten.
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Normalerweise wird ein solches Geschäft gemacht, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Nicht so beim Augustinum-Deal. Denn wenn man dem Käufer selber den Kaufpreis per Darlehen vorstreckt, fällt eine solche Motivation natürlich weg. Der seltsame Millionen-Deal beschäftigt jetzt die Gerichte und die Münchner Staatsanwaltschaft.
Auf dem Weg zu dem Mega-deal sollen sich nämlich Verantwortliche bei der Augustinum Gruppe und ihre Komplizen um Millionen bereichert haben. Ein Geschäftsführer wurde entlassen, kam in U-Haft, ist inzwischen aber wieder auf freiem Fuß. Die Ermittlungen wegen Bestechung, Bestechlichkeit sowie Betrugs und Untreue gegen fünf Verdächtige laufen noch, bestätigt Thomas Steinkraus-Koch, Sprecher der Münchner Staatsanwaltschaft. Ein sechster ist inzwischen verstorben. Derzeit werde ein Wertgutachten erstellt. Denn die Immobilien sollen weit unter Wert verkauft worden sein.
Die Augustinum Gruppe erklärte im vergangenen Jahr: „Das Augustinum hat nahezu alle Verträge mit den Erwerberfirmen angefochten beziehungsweise außerordentlich gekündigt, um die vollständige Rückabwicklung der Immobiliengeschäfte zu erreichen.“ Die Bewohner hätten nichts zu befürchten.
Allerdings muss sich auch Konzernchef Markus Rückert den Vorwurf gefallen lassen, allzu blauäugig vorgegangen zu sein. Der Pfarrer habe die Verträge „im Vertrauen auf seine Leute“ unterschrieben, so ein Anwalt des Augustinum.
Am Montag landete eine Augustinum-Klage beim Oberlandesgericht (OLG). Der Sozialkonzern will erreichen, dass sechs Millionen Euro Vermögen der Immobilienfirma arrestiert werden, damit diese angebliche Bestechungsgelder zurückzahlen und Schadenersatz leisten kann.
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Die Vorsitzende Richterin Petra Willner machte aus ihrem Erstaunen über die nicht nachvollziehbaren Verträge keinen Hehl, sprach von einem „Wirtschaftskrimi“. Insbesondere ein Treuhand-Vertrag, bei dem der Treuhänder keinerlei Haftung übernommen hatte, scheint den Richtern fürs Augustinum komplett sinnfrei gewesen zu sein.
Seine Entscheidung will der OLG-Senat am 11. April bekannt machen.