Prozess am Landgericht München: Falsche Polizisten erbeuten 2,1 Millionen Euro

Prozess am Landgericht: Eine 77-Jährige verliert 2,1 Millionen Euro an Betrüger, die sich als Polizisten ausgeben und ihre Konten leerräumen.
von  John Schneider
Vor dem Beginn des Betrugsprozesses: der Angeklagte im Gerichtssaal.
Vor dem Beginn des Betrugsprozesses: der Angeklagte im Gerichtssaal. © Foto: jot

München - Es ist erstaunlich, mit welcher Gelassenheit Hildegard P. (Namen geändert) von ihrem Verlust berichtet. Es ist wie es ist, so ihre Devise. Das Geld ist futsch, das Leben geht weiter. Dabei hat die 77-Jährige aus dem Münchner Umland die nicht unbeträchtliche Summe von 2,1 Millionen Euro an Betrüger verloren.

Und das kam laut Anklage so: Ein "Herr König" von der Kripo Erding ruft am 25. Oktober 2020 bei ihr an. Der falsche Polizist erklärt der Frau, dass man rumänische Einbrecher festgenommen habe, bei denen ein Zettel mit persönlichen Daten der 77-Jährigen gefunden wurde. Weitere Täter seien auf der Flucht.

München: Falsche Interpol-Polizisten lassen nicht locker

Am nächsten Tag ruft ein "Herr Münz" von Interpol an. Etwas stimme nicht mit ihrem Konto bei der Sparkasse. Tatsächlich gelingt es ihm, sein Opfer zu überzeugen, zwei Auslandsüberweisungen zu veranlassen. Noch sind es "nur" 3.500 Euro.

Das Opfer vor dem Gebäude des Strafjustizzentrums
Das Opfer vor dem Gebäude des Strafjustizzentrums © Foto: jot

Aber die falschen Interpol-Polizisten lassen nicht locker. "Herr Münz" überzeugt Hildegard P., ein neues Konto bei einer Bank zu eröffnen und ihr Geld von der Sparkasse dorthin zu transferieren. Sie überweist in Zusammenarbeit mit dem "Interpol-Polizisten" bis 30. November insgesamt 2,1 Millionen Euro "zur Sicherung ihres Vermögens". Und wird immer noch nicht misstrauisch.

 

Erst Monate später wird dem Opfer der Betrug bewusst

Im Dezember und Januar überweist sie noch einmal 690.000 Euro. Vier Monate später spricht eine Freundin mit ihr über Betrugsmaschen, erinnert sich die 77-Jährige. Da erst sei ihr aufgegangen, dass sie wohl Opfer von Betrügern wurde. Sie geht zur Polizei, und es gelingt ihr zumindest die letzten Überweisungen auf ihr Sparkassen-Konto zurück zu überweisen.

"Ich habe dem Kerl so vertraut", sagt Hildegard P. im Zeugenstand über "Herrn Münz". Der hatte sie mittels einer wohl manipulierten Tonbandaufnahme unter anderem davon überzeugt, dass ein Bankberater Kriminelles vorhabe. "Er ist sehr professionell vorgegangen, ich war in der Klaue von 'Herrn Münz'", sagt die 77-Jährige.

36-jähriger Münchner wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs angeklagt

Ob sie psychische Probleme wegen der Vorfälle bekommen hat, will der Vorsitzende Richter Thomas Lenz wissen. Hildegard P. verneint das und man nimmt das der leise lächelnden Dame auch sofort ab.

Auf der Anklagebank sitzt ein 36-jähriger Münchner. Wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Er und mindestens zwei weitere mutmaßliche Bandenmitglieder sind laut Anklage an dem Betrug beteiligt. Can B. lässt zu Prozessbeginn seinen Anwalt aber erklären, dass "er mit der Sache nichts zu tun hat". Vielmehr habe er mentale Probleme, weil er "unschuldig im Gefängnis" gesessen habe.

Kein ungewöhnlicher Fall

Der Fall von Hildegard P. mag aufgrund der hohen Schadenssumme extrem sein, ungewöhnlich ist er nicht. Seit Jahren verzeichnet die Kripo immer mehr Fälle von sogenanntem Callcenter-Betrug, obwohl immer wieder davor gewarnt wird. Hildegard P. aber hat solche Warnungen in der Zeitung nicht wahrgenommen.

Die hochgebildete Wissenschaftlerin erklärt, sie sei wohl zu sehr mit ihrem Fachgebiet beschäftigt gewesen. Den Lokalteil ihrer Zeitung habe sie nicht beachtet.

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