Provisorische Philharmonie: Abstimmende Füße
München - Am 28. März wird der Kulturausschuss in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft beraten. Am 5. April dürfte der Stadtrat dann die Generalsanierung des Gasteig beschließen. Die Philharmonie müsste dann ab 2020 in ein Ausweichquartier umziehen.
Dafür ist ein Grundstück in Riem im Gespräch. Das betrifft auch das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, weil der neue Saal im Werksviertel bis dahin kaum fertig sein wird. Die AZ hat mit Nikolaus Pont gesprochen. Der Wiener ist seit 2013 Manager des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, wo er seit 2008 als Leiter der Künstlerischen Planung wirkte.
AZ: Herr Pont, wie groß ist Ihre Begeisterung für Riem?
NIKOLAUS PONT: Sehr überschaubar. Wenn wir im Gasteig nicht spielen können, hat das Auswirkungen auf zwei unserer Abonnement-Zyklen. Meine Loyalität gegenüber der Gasteig-Leitung ist groß, aber ich muss auch an unsere Abonnenten denken.
Sie befürchten, dass viele Besucher den Weg scheuen.
Wer in Trudering oder Riem wohnt oder direkt an der U2, wird damit vielleicht weniger ein Problem haben. Aber beispielsweise von Wohngebieten wie Laim, Sendling oder auch Neuhausen aus ist es ein weiter Weg. Ein Konzertsaal in zentraler Lage ist von fast überall leichter und schneller erreichbar als einer an der Peripherie. Ich fürchte, viele Menschen gehen dann lieber in die Oper oder ins Theater als nach Riem.
Also droht eine Abstimmung mit den Füßen.
Das Angebot an Unterhaltungs- und Freizeitmöglichkeiten in München ist groß. Wenn dann Akustik und Atmosphäre in Riem nicht absolut außergewöhnlich sind, werden sich viele überlegen, ob sie sich die Reise antun.
Konzertveranstalter sagen, dass die Gastorchester Riem meiden würden.
Ich würde mir als Orchestermanager sehr genau überlegen, ob sich das Gastspiel an einem solchen Ort mit Übergangscharakter lohnt. Sehr begehrte Orchester können sich die Orte aussuchen, an denen sie spielen. Dabei spielt auch das Prestige eines Saals eine Rolle.
Gibt es aus Ihrer Sicht Alternativen zu Riem?
Ich war in die Suche nicht involviert und weiß daher nicht, nach welchen Kriterien potenzielle Standorte geprüft bzw. verworfen wurden. Aber ich hoffe, dass alle Beteiligen daran denken, welchen Stellenwert Klassische Musik in München hat. Sie ist ein wichtiger Faktor für die Attraktivität der Stadt nach innen und nach außen, den man nicht vier, fünf Jahre den am wenigsten komplizierten Umständen überlassen sollte.
Könnte es nicht ein besonderer Reiz sein, eine zeitlang in Hallen, Kirchen oder im Müllerschen Volksbad zu spielen?
Ich bin offen für coole Orte. Aber das ist keine angemessene Strategie für eine längere Zeit und für den Standardbetrieb. Bei uns, den Münchner Philharmonikern und bei den privaten Veranstaltern bilden Abonnenten die Basis. Wenn die nicht trägt, bringen Versuche, neues Publikum zu finden, nur wenig.
Sie könnten doch auch ins gesamte Sendegebiet des Bayerischen Rundfunks hinausgehen.
Als Ersatz für unsere Münchner Konzerttätigkeit sehe ich das nicht. Aber unabhängig von der Münchner Debatte suchen wir permanent aktiv nach Orten für Konzerte in ganz Bayern. Es ist nur kein Kinderspiel, einfach mal Orchesterkonzerte zu veranstalten. Dafür braucht es vor Ort wirtschaftliche, infrastrukturelle und organisatorische Voraussetzungen.
Im Unterschied zu den Münchner Philharmonikern haben Sie noch den Herkulessaal.
Der Gasteig fasst doppelt so viele Zuhörer. Eins zu eins lassen sich die Konzerte daher nicht verlegen. Groß besetztes Repertoire wie Symphonien von Mahler oder Werke für Chor und Orchester sind im Herkulessaal schwierig. Es wäre schade, darauf für einige Jahre verzichten zu müssen.