Protestbriefe: Doc Morris räumt Datenklau ein

Die Versandapotheke hat zigfach Protestbriefe aus München an Unions-Abgeordnete geschickt, um ein Gesetz zu verhindern. Allerdings ohne das Wissen vieler Absender. CSU-Mann fordert Aufklärung.
von  Irene Kleber
"Ich wende mich an Sie in einer für mich sehr wichtigen und persönlichen Angelegenheit", heißt es in den Protest-Postkarten. Und: "STIMMEN SIE NICHT für ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln." Wolfgang Stefinger wunderte sich über die Briefe.
"Ich wende mich an Sie in einer für mich sehr wichtigen und persönlichen Angelegenheit", heißt es in den Protest-Postkarten. Und: "STIMMEN SIE NICHT für ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln." Wolfgang Stefinger wunderte sich über die Briefe. © Nils Schwarz, AZ

München - Die Antwort an den Münchner Bundestagsabgeordneten Wolfgang Stefinger (CSU) kam per Fax: Man bedauere, dass es "zu diesem von uns nicht gewollten Missbrauch" von Kundendaten "durch eine oder mehrere uns nicht bekannte Personen" gekommen sei, schreibt ein Vorstandsmitglied der niederländischen Versandapotheke "Doc Morris" ans Berliner Abgeordnetenbüro.

Damit ist klar: Jemand hat hunderte von Münchner Adressdaten aus der Kundendatei des Versandhändlers gefischt, um mit Hilfe von "Protestpostkarten" – ohne das Wissen der Absender – auf eine Gesetzesänderung zum Apotheken-Versandhandel Einfluss zu nehmen, die demnächst im Bundestag beschlossen werden könnte. Für Wolfgang Stefinger ein "ungeheuerlicher Vorgang". Dem CSU-Mann reicht diese Erklärung noch längst nicht aus. Am Freitag antwortete er – und fordert "vollständige Aufklärung."

Wie die AZ exklusiv berichtete, ist Stefingers Abgeordnetenbüro in Berlin mit "waschkörbeweise" Protestbriefen und -karten aus seinem Wahlkreis München-Ost geflutet worden.

Darin fordern die Münchner als Doc-Morris-Kunden ihren CSU-Abgeordneten auf, gegen einen Gesetzesvorschlag vom Gesundheitsminister und CDU-Kollegen Hermann Gröhe zu stimmen. Der möchte künftig Versandapotheken mit Sitz im Ausland verbieten, verschreibungspflichtigen Artzney nach Deutschland zu liefern. Das würde DocMorris (Sitz in Holland) schwer treffen – die Firma beliefert vor allem Kunden in Deutschland.

Wütende Doc-Morris-Kunden

Doc Morris hatte deshalb zwei Protestaktionen gestartet. Zum einen rief sie ihre Kunden auf, per Brief an die Abgeordneten zu protestieren. Zum anderen richtete sie eine Internetseite ein, auf der sich jeder an einer Postkarten-Aktion beteiligen konnte. Er musste nur Name, Mail-Adresse und Postleitzahl eingeben. Automatisch suchte DocMorris den passenden CSU- und CDU-Abgeordneten heraus, setzte den Kundennamen ein und verschickte die Karte. Im Bundestag sollen bis zu 140 000 Protestschreiben angekommen sein.

Nachdem Wolfgang Stefinger 800 Münchnern geantwortet hatte, kamen hunderte von Beschwerden. "Die Leute erklärten ziemlich wütend, sie seien zwar Doc-Morris-Kunden, hätten sich aber nie an so einer Aktion beteiligt", berichtete Stefinger der AZ. "Sie wollten wissen, woher ich bitteschön ihre Adressdaten habe."

Die Unionsfraktion hat inzwischen die Bundesdatenschutzbeauftragte eingeschaltet, Stefinger fordert weitere Antworten aus Holland: "Welche Vorkehrungen hat Doc Morris getroffen, um einen möglichen Adress-Missbrauch im Vorfeld auszuschließen?", will er wissen. Und: "Wie erklären Sie sich, dass die ,unbekannten Personen, ausgerechnet Ihre Kundenadressen verwendet haben sollen?" Immerhin: Doc Morris hat seine Protest-Seite inzwischen vom Netz genommen.

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