Protest in Haidhausen: Der Tunnel-Kampf
MÜNCHEN - Der Widerstand gegen die zweite Stammstrecke ist in Haidhausen am größten: Mehr als 500 Einwendungen wurden am Mittwoch gegen den dritten Bauabschnitt von der Isar zum Ostbahnhof abgegeben.
Jetzt kommt die Nagelprobe für die Zukunft des Münchner Nahverkehrs. Am Mittwoch lief die Frist ab, um Einwände gegen den dritten und umstrittensten Abschnitt für die geplante zweite Stammstrecke abzugeben. Fast 500 Einwendungen waren schon vor Tagen bei der zuständigen Regierung von Oberbayern und der Stadt München abgegeben worden. Jetzt gaben die Initiatoren gegen den Haidhauser Tunnel und Anwälte den letzten Stapel ab.
Nirgendwo wird der Kampf gegen den Tunnel so erbittert geführt wie in Haidhausen. Und nirgendwo standen die Planer so sehr mit dem Rücken an der Wand, wie dort. Denn durch massive Proteste (vor allem wegen großer offener Baugruben, die inzwischen vom Tisch sind) mussten die Pläne mehrfach gründlich verändert werden.
Stadt und Bürger vor Ort haben sich über die Jahre auch immer wieder über die mangelhafte Kommunikation der Bahn beschwert, die das Projekt führt.
Der erste Planungsabschnitt für die sieben Kilometer lange Strecke von der Donnersberger Brücke bis zum Hauptbahnhof ist unproblematisch: Alles Bahngelände. Der zweite Bauabschnitt bis zur Isar sorgt nur am Marienhof für Ärger. Dort klagen Geschäftsleute, weil sie Nachteile durch die Baustelle befürchten. Sie sind nicht prinzipiell dagegen.
Aber Haidhausen. Da gab es kürzlich auch ein Demo gegen den Tunnel. In der Metzstraße 15 haben die Tunnelgegner sogar einen eigenen Info-Laden eingerichtet. „Dort kommen bis zu 60 Leute am Tag“, berichtet Ingeborg Michelfeit, Vorsitzende der Bürgerinitiative S-Bahn-Tunnel Haidhausen: „Da herrscht ein irrsinniger Zulauf.
Sie haben Ängste und sind gegen den Tunnel. In den Einwendungen machen sie unter anderem geltend:
Sie fürchten Schäden an den Gebäuden.
Jahrelange Beeinträchtigungen durch die Großbaustelle am Orleansplatz.
Sie sind gegen die offene Baustelle hinter dem Biergarten am Hofbräukeller.
Sie wollen, dass die Lagerung und der Abtransport des Tunnelaushubs so geregelt wird, dass Haidhausen nicht beeinträchtig wird.
Der Tunnel bringt keine Verbesserung der Verkehrsanbindung, sondern bringe Nachteile, weil es auf vielen Strecken keinen Zehn-Minuten-Takt mehr geben werde.
Der Bau dürfe erst begonnen werden, wenn alle Anschnitte juristisch unanfechtbar sind. – Bislang ist geplant, schon mit fertigen Abschnitten anzufangen.
„Es wird uns immer wieder Kirchturmpolitik vorgeworfen“, so Ingeborg Michelfeit. Und viele hielten ihnen vor: „Meistens folgt nach dem Schaden ein Nutzen.“ Doch der Tunnel verschlechtere den Nahverkehr. Michelfeit: „Haidhausen will ihn nicht, und München braucht ihn nicht. Und OB Ude ignoriert die Fakten.“
Wie geht es weiter? Die Einwendungen werden jetzt von der Regierung von Oberbayern gesichtet. Dann muss die Bahn zu jedem einzelnen Einwand eine Stellungnahme abgeben. Anschließend wird es eine große Anhörung geben. Die Gegner kündigen schon an: Wenn sie nicht durchkommen, werden sie klagen. Das kann Jahre dauern. Willi Bock
PRO
Wenn man in einem Stadtviertel wie Haidhausen lebt, das optimal angeschlossen ist, könnte man eigentlich entspannter damit umgehen und zugestehen, dass auch andere eine gute Verkehrsanbindung bekommen.
Viele Einwender schreckt ab, dass sie ein paar Jahre eine Baustelle vor der Tür haben. Dass sich Einzelne gestört fühlen, kann ich verstehen. Aber das kann jedem in der Stadt einmal passieren. Hier bei einer U-Bahn, dort bei einem Straßentunnel oder neben einer Hausbaustelle.
Bei den Ängsten, dass der Tunnel Gebäude gefährden könne, muss man schon sehen, dass seit 1971 die S-Bahn im Haidhauser Untergrund fährt und seit den 80er Jahren die U-Bahn: Die sind bisher auch nicht eingestürzt. Insgesamt braucht das Münchner Bahnsystem eine vernünftige Lösung, sonst bricht es uns zusammen. Der jahrelange Vergleich der Systeme zeigt, dass der Tunnel die bessere Lösung ist.
Alexander Reissl, SPD-Fraktionschef im Rathaus
KONTRA
Fehlerhaft und widersprüchlich
Dieses Unternehmen ist aberwitzig und würde den Nahverkehr um München massiv verschlechtern. Da werden Milliarden verschlungen, und der Nutzen steht in keinem Verhältnis mehr zu den Ausgaben. Es gibt bessere Lösungen – wie den Eisenbahn-Südring – für weniger Geld.
Dieser Tunnel bringt keine Lösung für den Nahverkehr. Es hatte stets geheißen, es werde die „optimalste Lösung“ kommen. Aber wir sehen, dass sie immer weiter optimiert werden muss. Auf diese Weise haben die Einwände schon etwas gebracht. Die für den Abschnitt Haidhausen vorgelegten Planfeststellungsunterlagen sind unvollständig, fehlerhaft und teils widersprüchlich. Brandschutz- und Rettungskonzept weisen gravierende Mängel auf.
Die Streckenführung und die wenigen Haltepunkte würden in Kombination mit dem Betriebsprogramm für hunderttausende Fahrgäste zu massiven Verschlechterungen führen.
Martin Runge, Landtagsabgeordneter der Grünen