Profi-Betrüger am Werk: So dreist wurde dieser Münchner abgezockt
München - Alle kann er gar nicht aufheben - und trotzdem sind es inzwischen Tausende. Karl Heinz S. hebt die Briefe auf, sortiert sie, beschriftet sie, je nach Art des falschen Versprechens. Der 84-Jährige hebt sie als Beweis auf. Sonst, denkt er, würde ihm niemand glauben, wie viele Betrüger es auf ihn abgesehen haben. Und das seit Jahren.
Die Briefe mit den tollen Gewinnversprechen stecken in Kisten auf dem Fußboden, sie stapeln sich auf seinem Schreibtisch. Und jeden Tag, wenn er den Briefkasten leert, erreichen ihn bis zu 25 neue.

Die Flut mit den falschen Gewinnversprechen erinnert an das Grimmsche Märchen vom süßen Brei. Statt Brei ist es bei Karl Heinz S. Post aus aller Welt. Sein Briefkasten hört nicht auf überzuquellen. Ein Zauberspruch, der den Wahnsinn stoppen würde wie im Märchen, gibt es für ihn nicht.
Der 84-Jährige ist vor ein paar Jahren darauf hereingefallen. Auf den Umschlägen standen Firmennamen als Absender, die auf ihn seriös wirkten: "Data Management Services" oder "International Banking & Finance" oder "Büro für Finanzdistribution". Darüber hinaus prangten Aufdrucke mit "Persönlich und vertraulich" oder "geprüfte Unterlagen" auf den Umschlägen.
Betrüger lockten mit Gewinn von 13 Millionen Euro
Karl Heinz S. hat auf einige dieser Gewinnversprechen geantwortet und Geld für angebliche Gebühren, Versicherungen oder eine "Kontoaktivierung" verlangt wurden, in Rückumschläge gesteckt. "Meistens waren das 5 bis 20 Euro", sagt der Unternehmer im Ruhestand. Ihm wurde vorgegaukelt, dass diese Beträge erforderlich seien, damit ihm der Hauptgewinn ausbezahlt werden könnte. Die dreistesten Betrüger lockten mit einem Gewinn von 13 Millionen Euro.
Das Geld von Karl Heinz S. landete auf Nimmerwiedersehen irgendwo im Ausland, meist waren die Rückumschläge an ein Postfach adressiert.
"Gewonnen habe ich nie etwas", sagt Karl Heinz S. Er bekam - wenn überhaupt - billige Amulette und Kettenanhänger zugeschickt oder "Glückssteine" zum Weiterspielen.

Und stets kamen neue Firmen nach - bis heute. Offensichtlich wurde seine Adresse weiterverkauft an andere Betrüger. Cem Karakaya vom Opferschutzkommissariat der Münchner Polizei: "Im Darknet und auch anderswo werden Datensätze mit einer Vielzahl Namen und Anschriften ab etwa 180 Euro angeboten. Wenn die Geburtsdaten dabei ist, sind sie etwas teurer."
Wie soll Karl Heinz S. die Briefflut jemals stoppen? Er weiß es nicht. "Es war ein Fehler! Ich hätte nie darauf antworten dürfen", sagt er deprimiert. Es ist ihm ein Rätsel, warum die Betrüger von niemandem gestoppt werden. Als er bei der Polizei Anzeige erstatten wollte, sagte ihm der Beamte auf der Wache, das sei zwecklos, da könne man nichts machen.
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Die Anschreiben, die Karl Heinz S. nach wie vor bekommt, strotzen oft vor Fehlern und sind völlig grotesk. Manchmal fragt sich der 84-Jährige, ob er auch noch verhöhnt werden soll.
So lag einem falschen Gewinnversprechen zum Beispiel ein Blech-Medaillon bei. Dazu stand geschrieben: "Wenn Sie die 28.600 Euro (...) gewinnen wollen, brauchen Sie nur Ihr Wohlstandsmedaillon über Ihren bereits angekreuzten Lottoscheinen gleiten zu lassen".
Rentner als Opfer: Zu gutgläubig gegenüber Betrügern
Und weiter: "Sie sollten es 60-Mal hin und her gleiten lassen und dabei diese Anrufung wiederholen: ,Möge dieses Wohlstandsmedaillon mir so viel Glück bringen wie nur möglich, damit ich die mit seiner Hilfe freigegebene Spende von 28 600 Euro gewinnen kann'".
Karl Heinz S. müsse nur 40 Euro in den "beigelten unschlag" zurückschicken: "Für das Einverständnis, um das Geheimnis des beschleunigten zeitlichen Impulses zu erfahren.".
Am Anfang, gibt der Rentner zu, war er einfach zu gutgläubig. "Ich habe wirklich geglaubt, dass ich etwas gewinnen könnte." Stattdessen hat er im Laufe der Jahre etwa 2.000 Euro verloren. Heute sagt er: "Ich kann nur davor warnen, solche Spiele mitzuspielen!"
Die Polizei rät, derartige Briefe einfach wegzuwerfen - am besten ungeöffnet.
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