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Private Möbel in Münchner Unterkunft verboten: Geflüchtete wehren sich

Sie fühlen sich ungerecht behandelt: Unterstützt vom Bayerischen Flüchtlingsrat haben die Bewohner aus der Gemeinschaftsunterkunft in der Baierbrunner Straße eine Petition beim Bayerischen Landtag eingereicht. Die AZ hat die Geflüchteten in ihrer Unterkunft besucht.
von  Guido Verstegen
118 Menschen leben in der Gemeinschaftsunterkunft in der Baierbrunner Straße 14.
118 Menschen leben in der Gemeinschaftsunterkunft in der Baierbrunner Straße 14. © Guido Verstegen

München - "Ich ärgere mich sehr und bin traurig", sagt Prince Clifford Ehirobo. "Die Kinder dürfen ihr Hochbett nicht behalten, wo sollen sie denn dann schlafen?" Der 47-Jährige muss jeden Moment damit rechnen, dass die Regierung von Oberbayern laut Hausordnung nicht genehmigtes Mobiliar abholen lässt – weil er eben keine Ausnahmegenehmigung dafür hat.

Private Möbel in der Unterkunft nicht erlaubt? Bewohner reichen Petition ein

Der Nigerianer mit italienischer und deutscher Staatsbürgerschaft ist 2015 aus Italien nach Deutschland gekommen, seit fünf Jahren lebt er mit seiner Frau Juliette und den vier Kindern – sie sind 8, 9, 13 und 16 Jahre alt – in zwei Zimmern in der Baierbrunner Straße 14.

Der versprochene Ersatz ist noch nicht da: Auch Prince Clifford Ehirobo hat das Hochbett selbst erstanden und hat keine Ahnung, wo Vince und Prince schlafen sollen, wenn es plötzlich weg ist.  Der 48-Jährige belegt mit seiner Familie - dazu gehören auch seine Frau Juliette und zwei weitere Kinder - zwei Zimmer in der Unterkunft.
Der versprochene Ersatz ist noch nicht da: Auch Prince Clifford Ehirobo hat das Hochbett selbst erstanden und hat keine Ahnung, wo Vince und Prince schlafen sollen, wenn es plötzlich weg ist. Der 48-Jährige belegt mit seiner Familie - dazu gehören auch seine Frau Juliette und zwei weitere Kinder - zwei Zimmer in der Unterkunft. © Guido Verstegen

Dort betreibt die Puls M GmbH mit Sitz in München im Auftrag der Regierung von Oberbayern eine dreigeschossige Unterkunft für 118 Geflüchtete mit langen, kargen Fluren, vollgestopften Zimmern und gemeinsam zu nutzenden Sanitäranlagen je Etage. 

Bayerischer Flüchtlingsrat: Hausordnung der Regierung von Oberbayern ist rechtswidrig

Die Bewohner wehren sich gegen die aus ihrer Sicht ungerechte Behandlung: Unterstützt vom Bayerischen Flüchtlingsrat haben sie eine Petition beim Bayerischen Landtag eingereicht und behalten sich rechtliche Schritte vor.

Was ist passiert? Die Regierung von Oberbayern und einige Landkreise untersagen Geflüchteten, private Möbel und Gegenstände in ihren Zimmern aufzustellen, teilt der Bayerische Flüchtlingsrat dazu mit. Auch die Unterkunft in Sendling ist betroffen.

Entsorgung der Möbel: Regierung von Oberbayern stellt Container auf

"Wir halten die dort geltende Hausordnung der Regierung von Oberbayern für rechtswidrig – sie verbietet den Bewohnern, private Möbel aufzustellen", sagt Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat im Gespräch mit der AZ. Die Menschenrechtsorganisation fordert die Regierung von Oberbayern auf, die Entsorgung zu unterlassen und stattdessen die Familien dabei zu unterstützen, eine Wohnung zu finden.

Regierung von Oberbayern verspricht sukzessive Renovierung der Zimmer

Die Bewohner der Unterkunft waren von der Regierung Oberbayern schriftlich aufgefordert worden, bis zum 27. Februar ihre privaten Möbel entweder einzulagern oder zu entsorgen, die Regierung stellte dazu einen entsprechenden Container auf.

Begründet wird das Vorgehen mit der auch im Internet nachzulesenden Hausordnung, die die Genehmigung privater Möbel in der Unterkunft erfordert. "Liegt für das zusätzliche Mobiliar keine Genehmigung vor und ist dieses nicht genehmigungsfähig, kann vom Betreiber eine Zwangsräumung [...] durchgeführt werden", heißt es in dem Schreiben vom 20. Februar. 

"Wir haben nicht gewusst, dass wir den Teppich nicht haben dürfen"

Demnach sollen die Bewohnerzimmer "anschließend sukzessive renoviert und mit modernerem und höherwertigem Material ausgestattet" werden.  "Ersatzmöbel haben wir aber bisher nicht gesehen", berichtet Prince Clifford Ehirobo. 

Er sitzt wie seine Nachbarin Husnia auf heißen Kohlen, sie müssen jeden Moment damit rechnen, dass geräumt wird. "Dann nehmen sie auch den Teppich mit", sagt die Afghanin, die mit ihrem Mann und drei Kindern (9, 17, 18) seit fünf Jahren in der Unterkunft wohnt. Die muslimische Familie betet und isst auch auf dem Teppich. "Wir haben nicht gewusst, dass wir den Teppich nicht haben dürfen", sagt Husnia.

"Alle Bewohner werden bei ihrem Einzug auf diese Regelung hingewiesen, zudem hängt die Hausordnung mehrsprachig in den Unterkünften aus", teilte Pressesprecher Wolfgang Rupp auf AZ-Anfrage mit.

Über Jahre hinweg sei niemand daran gehindert worden, eigene Möbel zu nutzen, betont Jana Weidhaase: "Warum ist denn niemand darauf aufmerksam gemacht worden? Warum kommt dieser Schritt ausgerechnet jetzt?" Das Ganze sei kein Einzelfall, erinnert sie sich an einen Fall in Oettingen im Landkreis Donau-Ries, wo im Herbst vergangenen Jahres im Rahmen einer Razzia mit Polizei neben diversen Möbelstücken auch Fernseher und Kühlschränke in einem Container landeten.

Regierung von Oberbayern hat die Räume bislang nicht geräumt 

Die Regierung von Oberbayern will offenbar konsequent durchgreifen: "Sollten Sie bis zum oben genannten Datum der Aufforderung nicht Folge leisten, wird die Ersatzvornahme angewendet. Kurz nach Fristablauf wird eine Begehung und Überprüfung aller Zimmer auf nicht entferntes Fremdmobiliar durch die Regierung von Oberbayern stattfinden", steht zumindest in ihrem Brief an die Bewohner.  

Das Vorgehen sei nicht etwa Selbstzweck, sondern diene allein dazu, von vorne herein Gefahren zu vermeiden, erklärt Rupp: "Dies gilt insbesondere für Brandgefahren und damit zusammenhängende Problemlagen wie die freie Zugänglichkeit eines ausreichenden Fluchtwegs auch innerhalb der unmittelbaren Wohnräume. Zudem dient dies unter anderem auch der Umsetzung hygienischer Anforderungen."

Einige Bewohner haben ihr selbst gekauftes Mobiliar bereits am Wochenende in dem dafür bereit gestellten Container entsorgt.
Einige Bewohner haben ihr selbst gekauftes Mobiliar bereits am Wochenende in dem dafür bereit gestellten Container entsorgt. © Guido Verstegen

Prince Clifford Ehirobo: "Das passierte einfach ohne Vorwarnung"

Die frustrierten und ratlosen Bewohner der Unterkunft in der Baierbrunner Straße wendeten sich in einem Brief an die Regierung von Oberbayern und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, bitten um Aufschub und ein Gespräch. Erst unterzeichneten acht Familien, jetzt sind alle dabei.

Sie wollen sich in Deutschland integrieren und ein normales Leben führen, schreiben sie, zeigen sich kompromissbereit und würden gerne gemeinsam mit den Verantwortlichen über Lösungsansätze nachdenken. "Wir wissen, dass das Thema Sauberkeit und Schimmelbefall ein großes Problem ist. Wir sind hochmotiviert, an einer Lösung mitzuarbeiten, sehen aber nicht, wie die Entsorgung unserer Möbel dabei helfen könnte." 

Man habe in Vorbereitung auf einen zukünftigen Auszug einige Möbel wie Schrank, Bett und Couch angeschafft, um auch schon in der Unterkunft, vor allem auch den Kindern, ein wenigstens halbwegs normales Zuhause bieten zu können, werben die Hausbewohner um Verständnis.

"Es kam keine Mahnung oder so, das passiert einfach ohne Vorwarnung", sagt Prince Clifford Ehirobo, Der gelernte Architekt –  er arbeitet als Betonschneider auf Baustellen – sucht für seine Familie schon lange vergeblich eine Wohnung: "Wir hatten ein Angebot aus Pasing, aber die Wohnung kostet 2.200 Euro Miete. Das können wir uns natürlich nicht leisten."

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