Pride Week in München: Ein Schutzhaus für Flüchtlinge?
München - An diesem Samstag beginnt die Pride-Week, die Woche vor der großen Polit-Parade zum Christopher Street Day (CSD) am kommenden Wochenende. "Vielfalt verdient Respekt. Grenzenlos!" lautet diesmal das Motto, das die Aufmerksamkeit auch auf die Situation von lesbischen, schwulen, trans- oder intersexuellen (LSBTI) in Deutschland lenken soll.
Die AZ hat darüber mit Thomas Niederbühl gesprochen. Der Rosa-Liste-Stadtrat ist politischer Sprecher des CSD München.
AZ: Herr Niederbühl, Sie haben im Stadtrat gemeinsam mit Lydia Dietrich und Dominik Krause den Antrag gestellt, in München ein Schutzhaus für LSBTI-Geflüchtete zu eröffnen. Warum?
THOMAS NIEDERBÜHL: Die Erfahrung zeigt, dass unter den Geflüchteten bemerkenswert viele sind, die mit gutem Grund flüchten, weil sie als Schwule, Lesben oder Transgender in ihrer Heimat verfolgt, eingesperrt oder vergewaltigt werden.
Wir wissen ja, dass über 70 Länder auf der Welt Homosexualität weiterhin verfolgen. Diese Menschen haben oft eine schreckliche Fluchtgeschichte hinter sich, kommen hier an und haben eben nicht sofort einen geschützten Raum. Im Gegenteil: Die Mitgeflüchteten bringen die Homophobie sozusagen von Zuhause mit. Diese Bedrohung und auch die Gewalt, mit der sie in den Unterkünften konfrontiert werden können, ist problematisch.
Haben Sie Anhaltspunkte dafür, wie viele Homosexuelle und Transgender unter den Geflüchteten sind?
Belastbare Zahlen gibt es keine. Die geben sich natürlich nicht so offen zu erkennen – das ist ja klar. Wir kennen immer nur Einzelbeispiele, die in der Beratung beim Sub oder bei Letra landen. Aber wenn man davon ausgeht, dass in einer Großstadt wahrscheinlich zehn Prozent der Bevölkerung homosexuell oder transgender sind, dann dürfte es bei den Geflüchteten so ähnlich sein.
Gibt es eine Geschichte, die Sie uns erzählen können?
Schwer beeindruckt hat mich eine Geschichte, die Letra öffentlich gemacht hat: Die Geschichte einer lesbischen Frau aus Uganda, die dort mit ihrer Freundin zusammen war. Als öffentlich wurde, dass sie ein lesbisches Paar sind, hat man ihren Laden angezündet, sie aus der Wohnung geworfen, sie mit Gewalt bedroht und ihre Freundin wurde auf offener Straße erschossen.
Diese Frau kam dann in München an und wurde – Gott sei Dank – durch Letra versorgt. Es ist doch klar, dass man bei so jemandem schauen muss, dass alles stimmt – sowohl, was die Betreuung durch Letra angeht, als auch die Wohnsituation. Denn gerade alleinstehende Frauen – und das sind die Lesben auf der Flucht ja oft – werden von ihren Mitgeflüchteten oft belästigt, mit Vergewaltigung bedroht oder tatsächlich vergewaltigt.
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In Nürnberg und Berlin existieren bereits entsprechende Einrichtungen. Woran hapert es in München?
Ich glaube, dass hier in der Verwaltung eine gewisse Unsicherheit bestand: Wie viele sind das überhaupt? Braucht man das wirklich? Die Lesben könnte man doch auch in anderen geschützten Frauenhäusern oder Wohnungen unterbringen, was man zum Teil auch versucht.
Aber dann ist man doch aufgewacht, durch die Informationen, die von Letra und Sub kommen. So dass sich nach unserem Antrag jetzt auch die Verwaltung wirklich bemüht, zu gucken: Was ist das geeignete Modell? Welcher Träger könnte das umsetzen? Das dauert einfach ein bisschen. Aber ich glaube schon, dass das zielführend sein wird.
Wie würde ein solches Schutzhaus dann aussehen?
Wahrscheinlich müsste man Männer und Frauen trennen – vielleicht in zwei großen Wohnungen oder einzelnen Etagen in einem Wohnhaus. So dass sie wirklich einen geschützten Raum haben, versorgt vom Träger, was das Wohnen angeht. Und dann müsste eine enge Vernetzung mit den bestehenden Einrichtungen gewährleistet sein, und der Zugang zur Community überhaupt, so dass sie möglichst bald eine Heimat in unserer Szene finden.
Wie offen ist denn die Community im Bezug auf Flüchtlinge?
Da ist es so, wie in der Gesamtbevölkerung: Es gibt einen Teil, der sehr offen ist und auch sieht, wo die Schwierigkeiten sind. Es gibt aber natürlich auch einen Teil – das lässt sich nicht leugnen – der verunsichert ist, Ängste hat und das muss man auch ernst nehmen. Ich glaube, je offener man all diese Dinge anspricht, desto leichter fällt die berühmte Integration. Einen Königsweg gibt es da nicht. Man muss halt sehen, dass man im Gespräch bleibt, offen sein und schauen, wie man miteinander zurechtkommt.
Das ist natürlich zweiseitig, nicht nur auf die LSBTI-Flüchtlinge bezogen. Es ist klar, wenn Geflüchtete hierher kommen, in eine offene Gesellschaft, in der Schwule, Lesben und Transgender akzeptiert werden, dann muss das auch in den Integrationskursen und den Sprachkurs-Materialien thematisiert werden, dass eine gegenseitige Annäherung überhaupt ermöglicht wird.
Merkt denn die Community, dass gerade Flüchtlinge aus dem arabischen Raum eine gewisse Homophobie mit sich bringen?
Darauf beziehen sich die Ängste. Aber wenn man es sich realistisch anschaut, sind die Hauptprobleme, mit denen wir derzeit in der Szene zu kämpfen haben – also sprich: vor allem im Gärtnerplatz-Viertel – vorwiegend Belästigungen und dumme Anmachen bis hin zu Gewalt, die von Junggesellenabschieden und sonstigen Party-People ausgeht. Da spielt die Flüchtlingsherkunft überhaupt keine Rolle.
Das Pride-Week-Programm am Wochenende
Samstag
18 Uhr: Vernissage zum Fotoprojekt: Respect!, Café Regenbogen, Lindwurmstraße. 71
15 Uhr - 23 Uhr: Lesbisches Angertorstraßenfest, Angertorstraße, Glockenbachviertel
Opening-Partys: Bau, Müllerstraße 41 (ab 17 Uhr)
NY. Club, Sonnenstraße 25 (ab 23 Uhr)
Sonntag
12 Uhr: Respektakel (Live-Hörspiel mit Drei-Gänge-Menü), Café Regenbogen, Lindwurmstraße. 71
19 Uhr: Mediative CSD-Andacht, evangelisch-reformierte Kirche, Reisingerstr. 11
19.30 Uhr: Parallelen - LSBTI-Aktivismus in München und Kiew, Sub, Müllerstr. 14
Das komplette Programm der Pride-Week finden Sie auf www.csdmuenchen.de
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