"Precobs" gescheitert: Der digitale Polizist ist ein Flop

Das Computersystem "Precobs", das Einbrecher zur Strecke bringen soll, funktioniert nicht mehr richtig. Schuld ist die Coronapandemie.
von  Ralph Hub
Das Logo vom bayerischen Landeskriminalamt ist an der Tür zu einem Serverraum zu sehen.
Das Logo vom bayerischen Landeskriminalamt ist an der Tür zu einem Serverraum zu sehen. © Matthias Balk/dpa/Archiv

München - Bei der Einführung als Wunderwaffe im Kampf gegen Einbrecher gefeiert, landet die Prognose-Software "Precobs" jetzt auf dem Müll. Zu wenig effektiv, zu ungenau, so das Urteil von Experten. Das Innenministerium entschied deshalb, dass die Software nicht mehr genützt wird. Folgen könnte schon bald die "Enterprise"-App.

"Precobs": Algorithmus sollte Verbrechen vorhersagen

Im Science-Fiction-Thriller "Minority Report" sind es drei übersinnlich begabte Wesen, die "Precogs" Agatha, Arthur und Dashiell, die Verbrechen vorhersagen können. Im echten Leben sollte das der Algorithmus der Prognose-Software "Precobs" schaffen. Near Repeat nennen Experten die Methode, mit der sich Straftaten innerhalb eines gewissen Zeitraums und innerhalb eines gewissen Gebietes mit relativ hoher Präzision vorhersagen lassen - eben fast so wie im Kino-Hit "Minority Report".

Mit Near Repeat sollte es gelingen, Einbrüche innerhalb von sieben Tagen und in einem Umkreis von 500 Metern vorherzusagen. "Dazu ist allerdings eine bestimmte Datenmenge erforderlich", erklärt Michael Grünleitner, Sachgebietsleiter Analyse beim Landeskriminalamt (LKA) in München.

Vielversprechender Start: Wohnungseinbrüche gingen 2014 stark zurück

Erste Tests 2014 verliefen vielversprechend. In Nürnberg und München wurde "Precobs" ausprobiert. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) war begeistert. "In München ging die Zahl der Wohnungseinbrüche von Oktober 2014 bis März 2015 um 29 Prozent zurück, in den nach einer Precobs-Prognose besonders bestreiften Bereichen sogar um 42 Prozent", lobte Herrmann im Sommer 2015 bei einer Pressekonferenz im Präsidium München.

Sein Ministerium gab grünes Licht für den Kauf von "Precobs". Die Software wurde für einen "mittleren sechsstelligen Betrag gekauft", heißt es im LKA und wurde anschließend im gesamten Freistaat bei der Polizei eingesetzt.

Ende der "Precops" durch Coronapandemie?

Doch dann kam die Coronapandemie, die alles auf den Kopf stellte. Zeitweise wurden die Grenzen zum Ausland dichtgemacht, die Reisefreiheit eingeschränkt. Davon waren auch organisierte Einbrecherbanden beispielsweise aus Osteuropa betroffen. Sie kamen schlicht nicht mehr ins Land.

Ein weiteres Problem: Im Lockdown mussten alle zu Hause bleiben. Dann gab es erste Lockerungen, doch bis heute arbeiten trotzdem noch viele Menschen im Homeoffice. Folge: Einbrecher finden kaum Wohnungen oder Häuser, in die sie unbemerkt einsteigen können. Mit dem Effekt, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche in ganz Bayern 2021 sinkt. "Der starke Rückgang der Fallzahlen und die damit verbundene quantitative Minderung der zur Berechnung notwendigen Datengrundlage", so das LKA, "führten zu einer Verringerung der Prognosen und beschränkten so die effiziente Nutzung von 'Precobs'."

Einfacher ausgedrückt: "Precobs" liegt zu oft mit seinen Prognosen daneben. Zudem läuft der Nutzungsvertrag für das System in diesem Jahr aus. Deshalb entschloss sich das Innenministerium, jetzt die Reißleine zu ziehen. An einem Nachfolge-Programm wird schon getüftelt. Es soll auch mit geringeren Datenmengen funktionieren und trägt den klangvollen Arbeitstitel "Enterprise"-App.

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