Posse um Ladekabel auf dem Großmarkt

München - Donnerstag Mittag vor einer der riesigen Lagerhallen am Großmarktgelände in Sendling. Ein Dutzend mächtige Lastwagen stehen vor den Toren. Bei einigen laden Arbeiter Obst und Gemüse aus.
Geschätzt die Hälfte der Lkw-Dieselmotoren laufen, damit die Kühlaggregate im Laster die Ladung weiter kühlen, bis ausgeladen wird. Es stinkt aus den Auspuffen, es ist laut wie in einem Mittelmeerhafen. Wenige Meter dahinter wohnen Menschen. Muss das so sein?
Münchner Markthallen hatten zwölf Stromanschlusspunkte versprochen
Eigentlich müsste es nicht. Vor eineinhalb Jahren schon hatten die Münchner Markthallen, die zum städtischen Kommunalreferat gehören, nach viel Anwohnerprotest angekündigt, "in einem ersten Schritt" an den Hallen 10 und 23 zwölf Stromanschlusspunkte für Lkw-Kühlaggregate anzubringen.

Die Arbeiten hätten im Mai 2019 abgeschlossen sein sollen. Mit dem Ziel, dass Lkw, die etwa nachts (oder am Wochenende) ankommen und ihre Ladung kühlen müssen, bis sie am nächsten Werktag ausladen können, ihren Motor nicht die ganze Wartezeit lang laufen lassen müssen. Sondern ihre Kühlung an Strom anschließen und den Motor ausmachen können. Bis zu 40 Lkw sind das am Tag, sagen Beobachter. Weitere 50.000 Euro hat der Stadtrat kurz vor Weihnachten freigegeben, damit dieses Projekt erweitert werden könne.
ÖDP-Stadtrat über Ladekabel-Posse: "Es ist absurd"
Tatsächlich schaut es aber so aus: Von den versprochenen zwölf Stromanschlusspunkten gibt es überhaupt nur sechs. Je drei an den Hallen 10 und 23.

Zwei davon sind nicht erreichbar, weil die Kordel, an der man die Kabel von hoch unterm Dach herunterziehen sollte, zu kurz oder abgerissen ist. Zwei weitere sind gar nicht an Strom angeschlossen, das demonstriert der Klima-Aktivist Dieter Heber beim AZ-Besuch. Und die verbleibenden zwei stehen, tja, im Halteverbot. Darauf weisen Schilder vor den Hallen hin. Nur Ausladen ist dort erlaubt. Parken nicht, schon gar nicht über Nacht.


ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff reicht das jetzt. "Es ist absurd", sagt er, "auf dem Dach einer 200 Meter langen Lagerhalle wird mit Sonnenkollektoren Ökostrom erzeugt, und anstatt den für die Kühlung der Lastwagen zugänglich zu machen, laufen vor 27 Toren Lkw-Dieselmotoren."
Für Lkw-Fahrer gibt es keinen Anschlusszwang
In einer Anfrage an OB Dieter Reiter (SPD) will er nun unter anderem wissen, warum sich die Steckdosen im Halteverbot befinden, warum sie nicht funktionieren - und wie der Chef der Markthallen, der ehemalige Grünen-Stadtrat Boris Schwartz, seine "mangelhafte Umsetzung" mit Blick auf Lärm- und Klimaschutz beurteilt. "Wir fragen uns", so Ruff, "ob es nicht klüger wäre, die Markthallen dem Umweltreferat zu unterstellen, das den Klimaschutz höher priorisiert."
Auf AZ-Nachfrage heißt es vom Kommunalreferat, man habe die ursprünglich geplante Anzahl von zwölf Strompunkten "mangels ausreichender Stromkapazitäten" auf sechs reduziert. Außerdem würden die Anschlüsse "leider kaum genutzt", weil es keinen "Anschlusszwang" für die Brummifahrer gebe. Der wäre erst dann umsetzbar, wenn für alle Kühl-Lkw Stromanschlüsse zur Verfügung stünden. Und: "Unsere Techniker vor Ort werden den Zustand der Anschlüsse schnellstmöglich überprüfen."