Polizeiprügel auf Löwen-Fans: Verfahren gegen Uniformierte eingestellt
MÜNCHEN - Die Stimmung unter den Löwenfans ist extrem angespannt: „Es ist wirklich ein Skandal, dass die Polizei-Schläger vom USK ungestraft davon kommen sollen“, sagt Martin S. zur AZ – wie viele andere Fans kann und will er die Szenen nach dem Regionalliga-Derby am 9. Dezember 2007 nicht vergessen.
Damals prügelten vermummte Beamte des Münchner Unterstützungskommandos der Polizei (USK) und der Bereitschaftspolizei Dachau mit ihren Schlagstöcken wahllos auf Löwenfans ein. Es gab mehrere Verletzte und hunderte Fans wurden in der Westkurve gegen ihren Willen von der Polizei festgehalten.
Insgesamt 10 Strafanzeigen haben Löwenfans deshalb gestellt, drei davon wegen gefährlicher Körperverletzung. Einige Opfer erlitten Platzwunden, eines sogar eine Schädelprellung. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat das Verfahren jetzt trotzdem eingestellt. Die Begründung: Die Täter in Uniform seien „nicht zu individualisieren“.
Der Ball liegt bei der Generalstaatsanwaltschaft
Gegen die Einstellung hat der Münchner Anwalt Marco Noli umgehend Beschwerde eingelegt. Er vertritt alle zehn Betroffenen. Jetzt muss die Münchner Generalstaatsanwaltschaft über die Wiederaufnahme des Verfahrens entscheiden – und ob es bei Ermittlungen Versäumnisse gegeben hat. „Es wurde noch nicht einmal eine Namensliste aller eingesetzten Beamten erstellt“, sagt Noli, „obwohl bekannt ist, dass die Täter aus dem 2. und 3. Zug des Münchner USK und der Bereitschaftspolizei Dachau kommen.“
Dabei räumt die Staatsanwaltschaft München I. nach ihren Ermittlungen sogar ein, dass USK-Beamte „in unverhältnismäßiger Weise und ohne rechtfertigenden (...) Grund mittels Schlagstöcken auf unbeteiligte Besucher, zum Teil Kinder und Frauen, eingeschlagen haben sollen.“ Die eingesetzten Beamten wurden aber trotzdem nicht vernommen und ihre Vorgesetzten behaupten bisher, sie hätten keine Übergriffe bemerkt. Auch eine Gegenüberstellung fand nicht statt. Dabei hat Anwalt Noli klar gestellt: „Ein Zeuge ist sich sicher, dass er den Beamten, der ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht hat, erkennen würde.“
Anzeige wegen Freiheitsberaubung
Außerdem hat Noli auch noch Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung gegen die Polizei gestellt: „Bei einer Blocksperre wurden hunderte Fans in der Westkurve über 40 Minuten einfach von der Polizei festgehalten.“ Das sei rechtswidrig: „Selbst Frauen und Kinder durften weder auf die Toilette noch zu ihren Zügen, die sie erreichen mussten“, sagt Noli.
„Es ist ein Skandal, dass sich Polizei und Innenministerium für ihre Spezialtruppen in den letzten 20 Jahren einen rechtsfreien Raum geschaffen haben“, kritisiert Siegfried Benker die Einstellung des Verfahrens. Der Fraktionschef der Rathaus-Grünen zur AZ: „Es entspricht einem paramilitärischen Denken, dass die eigenen Leute auf keinen Fall zur Rechenschaft gezogen werden sollen.“ Es sei von vielen Demonstrationen bekannt, so Benker, dass besonders USK-Beamte und ihre Einsatzleiter „nicht ansprechbar“ seien. „Es kann nicht angehen, dass Polizei-Schläger unter dem Schutz des Staates stehen. Diese paramilitärische Tendenz muss beendet werden.“
Auch der Anwalt der Betroffenen fordert konkrete Konsequenzen: „In Zukunft müssen besonders die USK-Einheiten, die bewusst mit Helmen, Masken und Kampfanzügen vermummt auftreten, individualisierbar und identifizierbar sein“, sagt Marco Noli. „Wenn Beamte keine Namensschilder tragen wollen, dann müssen sie eben durch große Nummern oder Großbuchstaben identifizierbar sein“, fordert Benker. Dazu stellt Polizeisprecher Wolfgang Wenger klar: „Die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für geschlossene Einheiten müsste von der Politik beschlossen werden, das ist nicht Sache einzelner Polizeiführungen.“
Einen ersten Erfolg hat Anwalt Noli jedoch bereits erzielt: „Wir haben als Reaktion auf die Beschwerde Nachermittlungen eingeleitet“, so Anton Winkler, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft München I., gestern zur AZ.
Auch die Verantwortlichen des TSV 1860 München haben am Mittwoch umgehend reagiert: „Da die Vorwürfe der Fans – nun auch durch die Darstellung der Staatsanwaltschaft – begründet erscheinen, drängt der TSV 1860 München erneut darauf, dass die Vorkommnisse lückenlos aufgearbeitet werden“, heißt es in einer Stellungnahme, die mit einem weiteren Vorwurf an die Polizei verbunden ist: Bis heute habe die Münchner Polizei trotz Zusicherung vom 20. Dezember 2007 den Verein nicht über die Ergebnisse ihrer internen Untersuchung unterrichtet: „Das ist bis heute leider nicht erfolgt.“
Michael Backmund