Polizeiaufgabengesetz: CSU-Mehrheit beschließt PAG

München - Begleitet von erneuten Protesten begann am Dienstagabend der Landtag die abschließende Beratung über die umstrittene Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) der Staatsregierung. In der Schlussabstimmung nach der Dritten Lesung wurde es mit 89:67 Stimmen (bei zwei Enthaltungen) verabschiedet, es tritt nun am 25. Mai in Kraft.
PAG: 2000 Jugendliche protestieren
Zuvor hatten rund 2000 junge Menschen vor dem Maximilianeum gegen das Gesetz demonstriert. Die SPD-Fraktion protestierte ebenfalls. Eine Gruppe von Jugendlichen machte zu Beginn der Plenarsitzung ihrem Unmut lautstark auf der Besuchertribüne Luft: "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Freiheit raubt."
Landtags-Vizepräsident Reinhold Bocklet (CSU) ließ die Gruppe vor die Tür setzen – denn Demonstrationen sind im Plenarsaal nicht erlaubt. SPD und Grüne werfen der CSU vor, die Novelle unter Missachtung des Bürgerwillens durchzupeitschen. "Das Gesetz ist verfassungswidrig", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze.
Die SPD-Landesvorsitzende Natascha Kohnen hielt der CSU vor, die Kritik protestierender Bürger nicht ernst zu nehmen: "Sie tun gerade so, als ob die Menschen nicht in der Lage wären, selbst zu denken und selbst zu entscheiden.“ Die CSU lehnte jedoch die Forderung ab, das Gesetz von der Tagesordnung zu nehmen. Regierungschef Markus Söder (CSU) verteidigte das PAG: "Es wird Leben retten, es wird Menschen helfen, nicht zu Opfern zu werden."
PAG entfacht hitzige Debatte im Landtag
Vor der dritten Lesung entfachte sich im Landtag eine hitzige Debatte. Für CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer ist die Behauptung, das Gesetz solle "durchgepeitscht" werden, "unglaublich": "Die einzigen, die etwas hochpeitschen wollen sind SPD und Grüne, die wollen die Stimmung hochpeitschen." Er rate dringend dazu, zu einer Sachdiskussion zu kommen. "Freiheit braucht Sicherheit, denn Sicherheit ist die Voraussetzung für Freiheit." Das Gesetz diene nicht irgendeinem staatlichen Überwachungsinteresse, sondern der Sicherheit der Bürger. "Ich versichere Ihnen: Selbstverständlich nehmen wir die Sorgen in der Bevölkerung sehr ernst. Freiheitsrechte unserer Bürger bleiben ein elementares Verfassungsgut, das wir schützen", so Kreuzer weiter.
Die Opposition blende das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung aus. Die "Übertreibungen" der letzten Zeit führten zur Verunsicherung der Bürger genau wie die "völlig unsachliche Kritik" von denen, die gemeinsam mit Linksextremisten und der Antifa gegen das Gesetz vorgingen.
SPD-Chefin Natascha Kohnen erwiderte: Abstimmungen seien in einer Demokratie normal. Aber etwas sei heute nicht normal: "Sie ignorieren Zehntausende Menschen, die friedlich demonstriert haben und sie tun hier nichts andere, als diese Menschen zu diffamieren. Sie stellen diese Menschen einfach in die Ecke der Extremisten. Das gehört sich nicht."
Zudem ignoriere die CSU Polizei und Verfassungsrechtler. "Polizistinnen und Polizisten sagen ihnen doch auch: wir brauchen nicht mehr Befugnisse, wir brauchen mehr Kollegen und Kolleginnen" , so Kohnen. "Ja, sie haben die absolute Mehrheit und damit die Macht, dieses Gesetz durchzusetzen, aber das werden sich die Menschen in diesem Land merken."
Eva Gottstein von den Freien Wählern verwies darauf, dass auch viele christliche Gruppen am noPAG-Protest teilgenommen hätten: "Mit demselben C in ihrem Namen". Die von der Regierung geplante Kommission sei eine Bankrotterklärung für dieses Gesetzverfahren nach dem Motto: "Wir machen ein Gesetz, und dann reden wir drüber." Die Kommission gehöre an den Anfang der Debatte, nicht an deren Ende. "Wenn Ihre Argumente so gut sind, dann hauen Sie nicht das Gesetz durch, sondern gehen Sie in den Dialog mit den Bürgern."
Grüne mit Seitenhieb gegen SPD
Auch die Grünen wetterten gegen das geplante Gesetz: "Die CSU hat sich verrechnet, weil die Bürger ihre Strategie durchschauen und nicht bereit sind, ihre Bürgerrechte aufzugeben.Die Menschen spüren, dass der Überwachungswahn der CSU immer weiter zunimmt." Der Begriff der drohenden Gefahr sei bereits 2017 eingeführt worden, so Katharina Schulze, Fraktionschefin der Grünen. "Und, liebe Natascha Kohnen, schon damals betraf er nicht nur Gefährder, sondern alle Menschen. Aber wir Grünen haben als einzige dagegen gestimmt", versetzte die Grüne auch der SPD einen kleinen verbalen Seitenhieb.
39 neue Eingriffsbefugnisse erhalte die bayerische Polizei aufgrund des neuen Gefahrenbegriffs - "und das sind 39 neue Befugnisse zu viel." Was die Polizei jedoch wirklich brauche, seien mehr Beamte, IT-Spezialisten, Sicherheitstrainings.
Grüne kündigen Verfassungsklage an
Schulze kündigte zudem an, im Falle einer Verabschiedung des Gesetztes vor Gericht zu ziehen, weil es aus ihrer Sicht verfassungswidrig sei. Auch an den Ministerpräsidenten richtet sie einige Worte: "Herr Söder, ich finde es absolut lächerlich, dass Sie Dialog-Foren einführen wollen, nachdem Sie ein Gesetz beschlossen haben."
Claudia Stamm (MUT) meinte, das Gesetz sei selbst für Experten so unverständlich, dass es schon deshalb überarbeitet werden müsse.
Herrmann geht Opposition an
Innenminister Joachim Herrmann setzte sich zur Wehr(CSU): "Das PAG ist ein Schutzgesetz, kein Überwachungsgesetz." In Zukunft werde zum Beispiel eine unabhängige Prüfstelle private Daten herausfiltern, bevor sie zum BKA oder einer anderen Stelle gelangten.
Die Opposition wurde vom Innenminister scharf kritisiert: "Wenn bei der großen Demonstration von der Bühne herab behauptet werden darf, dass die Polizei in Zukunft Beweise fälschen darf, dann ist das unglaublich. Und keiner der anderen hat sich davon distanziert. Und dann sagen Sie, Frau Kollegin Schulze, dass sich Ihre Aktion nicht gegen die Polizei wendet?", so Herrmann "Ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie lügen. Aber ich werfe Ihnen vor, dass Sie seit Wochen genussvoll dabeistehen, wenn andere Partner Ihres Bündnisses lügen."
Herrmann weiter: Der Begriff der "drohenden Gefahr" habe auch in Ländern, in denen SPD und Grüne mit in der Regierung säßen, Eingang in Gesetze gefunden".