Polizei verbietet jungen Männern Zutritt zum Englischen Garten
München - Der Münchner Marketingexperte Simon Ganslmeier (27) hat Besuch von zwei Studienkollegen. Der eine ist Lehrer (27) in Berlin, der andere IT-Spezialist (28) in Hamburg. Ganslmeier möchte den Freunden zeigen, wie schön München ist. Am vergangenen Mittwoch, kurz nach 18 Uhr, ziehen die jungen Männer gemeinsam los zum Englischen Garten.
"Einfach nur, weil wir Jungs waren – zwischen 20 und 30 Jahre alt"
"Auf dem Weg haben wir uns in einem Supermarkt noch jeder zwei Flaschen Bier und ein Radler gekauft." Doch an der Brücke vor der Surferwelle ist es vorbei mit dem Vorhaben. Vier Polizisten versperren den Weg. Kontrolle. Die Männer müssen ihre Ausweise aushändigen und ihre Taschen öffnen, ihre Namen werden notiert. "Dann hieß es, wir dürften den Englischen Garten bis 4 Uhr früh nicht betreten", berichtet der Lehrer Daniel Jungblut. Würden sie sich nicht daran halten, drohe Gewahrsam.

"Als Begründung für das Verbot bekamen wir zu hören, man wolle ähnliche Krawalle wie in Stuttgart und Frankfurt verhindern. Wir würden einem Profil entsprechen", berichtet Ganslmeier. Auf Nachfrage, welchem Profil sie denn entsprächen, bekommen die drei keine Antwort.
"Einfach, weil wir Jungs waren zwischen 20 und 30. Wir konnten es nicht fassen – das ist reine Willkür", sagt Ganslmeier. Norman Müller, der Besucher aus Hamburg, betont: "Wir sind alle nicht vorbestraft. Und wir waren nicht betrunken!"
Auch drei anderen jungen Männern wird der Zutritt zum Park verwehrt – sie sind davon überzeugt: wegen ihrer dunklen Hautfarbe. Einer von ihnen ist Leon Ohanwe (25), er studiert Gesundheitsmanagement: "Wir hatten keinen Alkohol dabei, wir haben nichts gemacht. Wir waren einfach nur existent", berichtet er der AZ. Ein unbeteiligter Passant habe bei den Polizisten nachgefragt. Diese hätten geantwortet: Er als "weißer Kerl" dürfe passieren, denn er passe nicht "ins Klientel". Die Männer werfen der Polizei Rassismus vor.
Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins sagte am Donnerstag zu dem Rassismus-Vorwurf: "Wir nehmen die Sache ernst." Bei Kontrollen von Personen mit anderer Hautfarbe sei geboten, dass die Polizei "Sensibilität an den Tag lege". Doch seines Wissens hätten Einzelne aus der Gruppe versucht, die Kontrolle zu umgehen, einer sei aggressiv geworden, auch seien sehr schnell Rassismus-Vorwürfe geäußert worden.
Generell ist es nicht neu, dass die Polizei im Englischen Garten verstärkt kontrolliert. In den vergangenen Jahren hat es dort mehrmals Krawall und Vorfälle mit größeren Personengruppen gegeben. Die Karl-Theodor-Wiese am Monopteros bezeichnete Martins schon mal als "Schauplatz für das Gebaren von Halbstarken". Häufige Kontrollen würden Straftaten verhindern.
Eine Verschärfung im Polizeiaufgabengesetz (PAG) macht's möglich
Dass die Polizei jedoch Zugänge zum Englischen Garten blockiert und Besucher systematisch kontrolliert, ist neu. Sie stützt sich dabei offenbar auf den verschärften und viel kritisierten Passus der "drohenden Gefahr" im Polizeiaufgabengesetz (PAG). Martin Heidebach, LMU-Dozent für Polizeirecht, sagte am Donnerstag zur AZ: "Das zeigt, wie viel mehr die Polizei durch das neue PAG in die Rechte des Bürgers eingreifen kann."
Allein am Mittwoch hat die Polizei im Englischen Garten die Ausweise von 95 Menschen kontrolliert. Martins sagt: "Bei den Personalienfeststellungen war alles drin, alle Nationalitäten, alles, was es gibt in der Münchner Stadtgesellschaft."
Am selben Tag wurden zudem 90 Platzverweise erteilt – nicht alle bei der "Einlasskontrolle" sondern auch wegen kleinerer Delikte wie Diebstahl oder Beleidigung. Allesamt durften sich nicht mehr im Englischen Garten aufhalten. Bei Verstößen wurde mit der Zelle (Gewahrsam) gedroht.
Simon Ganslmeier rief während der Polizeikontrolle seinen Vater an. Florian Ganslmeier, Geschäftsführer des Münchner Kammerorchesters, versuchte zu vermitteln. Vergeblich. "Die Polizisten sagten, ich könne ja den Rechtsweg einschlagen."
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