Polizei strikt dagegen: "Der Autofahrer ist der Depp"

Die Gewerkschaft der Polizei hält nichts davon, Radlern bei roten Ampeln freie Fahrt zu gewähren. Der Vorstoß der Grünen sei „völliger Unsinn“, sagt Landeschef Peter Schall der AZ. Seine Argumente.
Tobias Wolf |
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Dauerhaft freie Fahrt für Radler? Die Gewerkschaft der Polizei hält davon nichts.
dpa Dauerhaft freie Fahrt für Radler? Die Gewerkschaft der Polizei hält davon nichts.

München - Der Münchner Grünen-Politiker Dieter Janecek hat eine Radler-Debatte entfacht. Der Bundestagsabgeordnete will Deutschlands Städte fahrradfreundlicher machen und den Radlverkehr beschleunigen. Deshalb fordert er, rote Ampeln für Fahrradfahrer freizugeben. Doch dafür erntet er nun heftigen Gegenwind.

Die Gewerkschaft der Polizei in Bayern hält Janeceks Vorstoß für „völligen Unsinn“, wie Landesvorsitzender Peter Schall der AZ sagt. „So einen Vorschlag hätte ich zum 1. April oder zu Fasching erwartet“, erklärt er. Freie Fahrt bei roten Ampeln für alle Radler würden nur für noch mehr Streit zwischen Autofahrern und Radlern sorgen.

Schall habe zwar Verständnis für alle Radler, die sich ärgern, weil sie an einer roten Ampel halten müssen, obwohl weit und breit kein Auto zu sehen ist. Aber: „Entweder halten sich alle an die Regeln oder keiner“, betont der Polizist. „Ampeln haben schon ihren Grund, die wurden nicht umsonst installiert“, sagt der GdP-Landeschef.

Der Forderung von Grünen-Politiker Dieter Janecek (l.) birgt viele Gefahren, meint GdP-Landeschef Peter Schall. Foto:dpa/GdP

Besonders befürchtet Schall mehr Unfälle. Zwar ist die Zahl der Unfälle mit Radlern in München von 2014 auf 2015 leicht zurückgegangen, von 2598 auf 2542 Fälle (-2,2 Prozent). Ebenso ist die Zahl der schwer verunglückten Radler von 270 auf 232 Fälle gesunken (-16,4 Prozent). Allerdings sei inzwischen wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen, sagt Schall. Und Polizeivizepräsident Werner Feiler betonte bereits zum Radl-Saisonstart im Frühjahr: „Beinahe jeder zweite Schwerverletzte bei Verkehrsunfällen des letzten Jahres in München war als Fahrradfahrer unterwegs.“

Mehr als die Hälfte der Fahrradunfälle wird von den Radlern verursacht

Über die Hälfte der Unfälle mit Beteiligung von Radlern sei auch von ihnen verursacht worden, teilt das Münchner Polizeipräsidium mit. Hauptsächlich hätten sie dabei Vorfahrt oder Vorrang anderer Verkehrsteilnehmer missachtet oder fuhren als Geisterradler entgegen der Fahrtrichtung auf dem Radlweg.

Häufig übersehen aber auch die Auto- und Lkw-Fahrer beim Abbiegen oder beim Wenden die Radfahrer. Stichwort: Toter Winkel. GdP-Landeschef Schall befürchtet, dass solche Unfälle häufiger vorkommen könnten, sollten Radler bei Rot über die Ampel fahren dürfen.

Bundesweit kommt laut Statistik pro Tag mindestens ein Fahrradfahrer im Straßenverkehr ums Leben, 39 verletzen sich schwer. Vergangenes Jahr starben 383 Radfahrer, 14 230 erlitten schwere Verletzungen. Der Großteil der Unfälle ereignete sich innerorts.

Darüber hinaus sieht Schall die Versicherungslage kritisch: „Radfahrer, aber auch Fußgänger brauchen keine Haftpflichtversicherung. Wenn dann was passiert, ist – salopp gesagt – der Autofahrer der Depp. Er bleibt dann auf den Kosten sitzen.“ In München müssten Autofahrer ohnehin schon sehr umsichtig sein, betont Schall.

Sein Kollege, GdP-Vize Arnold Plickert, hält die Idee der Grünen gar für „gefährlichen Unfug“. Er hält es für wichtiger, dem aus seiner Sicht oftmals rücksichtslosen Fahrverhalten der Radler entgegenzuwirken. „Auch Radfahrer haben die geltenden Verkehrsregeln einzuhalten“, betont Plickert. Sie sollten nicht noch zusätzlich zu einer Gefahr für sich und andere werden.

„Radfahrer halten sich oftmals nicht an die Verkehrsregeln“

„Es ist oftmals zu beobachten, dass Radfahrer sich nicht an die Verkehrsregeln halten und mit ihrem Fehlverhalten Unfallsituationen hervorrufen. Bei Verkehrskontrollen müssen wir immer wieder feststellen, dass Radfahrer ‘umwegsensibel’ sind, häufig in falscher Richtung auf Radwegen fahren oder sogar quer über Kreuzungen rollen, um ihre Wegstrecken abzukürzen“, kritisiert Plickert bei „N24“. Er plädiert statt einer freien Fahrt auch bei Rot für verstärkte bauliche Maßnahmen zum Schutz der Radler.

Das halten die AZ-Leser vom Vorschlag der Grünen

Wie Kinder

Radfahrer sind genau wie Fußgänger und Autofahrer Verkehrsteilnehmer. Man muss schon sowieso höllisch aufpassen, wenn sie kreuz und quer fahren. Wie sollte man das Kindern klarmachen? Ilse Lechner

Skepsis bleibt

Dürfen? Nein, die müssen! Scusi, billiger Witz. Aber die Vorstufe zum Radl-Paradies ist München noch lang nicht. Ideen sind gefragt und was gab es einst für Befindlichkeiten bezüglich des Grünen Pfeils. „Ham ma ja no nia ned ghabt“, et cetera. Man muss den Entwicklungen des Verkehrs Rechnung tragen und deshalb ist die Idee des Grünen-Abgeordneten, bei Rot zu fahren, durchaus charmant. Als Stadt-Radl-Profi bleibt eine gewisse Skepsis, wenn alle vogelwuid fahren. Samma hoit Italien. Mir san ja eh die nördlichste Metropole de la Italia. Obacht gebn, länger lebn. Modernität erfordert auch Veränderung. I radl jetzt zur Apothekn. Wolfgang Baumann

Wahnsinnsidee

Eine Wahnsinns-Idee – den Fahrradverkehr zu beschleunigen, ist noch wahnsinniger! Heutzutage kümmert sich doch kein Radl-Rambo mehr um Verkehrszeichen. Sie fahren alle (außer Kinder) auf den Gehwegen und in den Einbahnstraßen rücksichtslos in beide Richtungen. Klingeln haben sie ohnehin nicht mehr und Fußgänger zu erschrecken (vor allem, wenn sie älter sind) ist offensichtlich ihr Hobby. Manfred Widl

Faschingsscherz

Sorry, was ist dem Grünen-Abgeordneten Janecek bloß ins Gehirn reingeschossen? Mit dem Fahrrad bei Rot über die Ampel – ich warte nur noch darauf, bis der nächste kommt und fordert, auch Fußgänger dürfen bei Rot über die Ampel gehen. Hat dieser Herr wirklich nicht weiter bedacht, was das für möglich Probleme bereiten würde? Man könnte fast glauben, hier habe einer einen Faschingsscherz vollbracht, nur leider ist es diesem Herrn wirklich ernst. Wenn ich böse denke, könnte ich glauben, hier ist jemand mit dem Kopf gegen eine Ampel gelaufen und hat sich erheblichen Schaden zugefügt, der vernünftiges und klares Denken verhindert. Detlef Schad

Stehenbleiben!

Nein, die Missachtung von Rotlicht eines jeden Verkehrsteilnehmers muss geahndet werden. Wie viele Radlfahrer interessiert es nicht, auf welcher Seite der Radlweg benutzt wird? Das alleine reicht, um die Rotlichtfahrt abzulehnen. Klaus Bröckermann

Ohne Disziplin

Hunderte tun es jetzt eh schon in den meisten Fällen ungestraft. Die Disziplin der Radler ist sowieso grottenschlecht: Fahren am Gehweg, gegen die Einbahnrichtung, rücksichtsloses Verhalten Fußgängern, Kleinkindern, Senioren und Hundegassigehern gegenüber. Mehr Radl-Polizisten müssen her! Margit Sachsenhauser (Radlerin und Autofahrerin)

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