Polizei scannt Millionen Kennzeichen - Pendler klagt

Ein Pendler will die heimliche bayerische Big-Brother-Praxis stoppen - und klagt nun gegen die Kennzeichenerfassung.
John Schneider |
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MÜNCHEN - George Orwell lässt grüßen: Die Kennzeichen von fünf Millionen Fahrzeugen werden – jeden Monat! – auf Bayerns Straßen von Lesegeräten erfasst und mit Fahndungsdaten verglichen. Benjamin Erhart (32) aus Abensberg will sich das nicht mehr gefallen lassen. Er zog vor Gericht. „Ich fahre als selbstständiger Software-Entwickler im Dreieck Regensburg - München - Salzburg.“ Jedes Mal werde er dabei auf der A8 von den Geräten der Polizei erfasst. Wo genau, wisse er nicht, denn der Freistaat halte die 12 Standorte der 22 fest installierten Kameras streng geheim.

So funktioniert’s: Bei der Erfassung durch die automatischen Lesegeräte werden digitale Fotos von Nummernschildern in Codes umgewandelt und mit Daten des Landeskriminalamts abgeglichen. Sobald ein Kennzeichnen mit den Fahndungsdaten (etwa bei gestohlenen Autos) übereinstimmt, wird der Treffer von Ermittlern überprüft. Gescannt und abgeglichen wird aber nicht etwa auf Grund eines konkreten Verdachts. „Damit steht jeder Autofahrer unter Generalverdacht“, sagt Erhart. Als Informatiker weiß er, wie leicht die Daten auch missbräuchlich genutzt werden können.

Die Polizei gehe „wie mit dem Mäusekamm“ vor, ergänzt sein Anwalt Udo Kauss. „Das ist eine Umkehrung der normalen polizeilichen Vorgehensweise.“ Die Fehlerquote sei hoch und verursache hohen Personalaufwand, kritisiert das Online-Portal „daten-speicherung.de“. In erster Instanz war Erhart vor dem Verwaltungsgericht München mit seiner Unterlassungsklage gescheitert. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun eine Liste mit 32 Fragen zu technischen Aspekten, Effektivität und Fehlerquote der Erhebung an das Innenministerium erstellt. Das Gericht will klären, ob die Erfassung der Daten verhältnismäßig ist. Auch der Bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri soll befragt werden.

Doch Erhart sieht seine Aussichten auf ein positives Urteil auch in der zweiten Instanz eher düster. Wie sein Anwalt: „Revolutionäres ist von dem Gericht nicht zu erwarten.“ Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht 2008 zwei Länder-Gesetze zum Kfz–Massenabgleich als verfassungswidrig kassiert. Ein ADAC-Gutachter kam zu demselben Ergebnis. Der Automobil-Club unterstützt Erharts Klage finanziell (siehe Interview).  Eine Entscheidung wird in diesem Jahr aber nicht mehr fallen. Der Freistaat soll erst einmal alle Fragen beantworten. Anwalt Kauss: „Wir haben dann bis Ende Januar 2012 Zeit für unsere Stellungnahme.“

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