Polizei im Englischen Garten: Zwischen Eisbach und Eskalation

München - Immer wieder starren Menschen sie an. Mit ihren dunkelblauen Uniformen, mit den langen Hosen, den Hemden und Pistolengürteln fallen sie zwischen den Bikinis, Bermudas und Badelatschen sofort auf.
Sie, das sind rund 60 Münchner Polizisten auf Kontrollstreife, in Grüppchen verteilt, unter der Leitung von Stephan Funk, Polizeidirektor in der Maxvorstadt. Die sie anstarren, sind Besucher im Englischen Garten an diesem hitzerekordverdächtigen Nachmittag.
Seit April sei man immer wieder über das Parkgelände patrouilliert, sagt Funk. Nach den Vorfällen im Frühjahr 2018 habe man "ein Zeichen setzen" wollen; bei einer Massenschlägerei im April wurden unter anderem Einsatzkräfte von Dutzenden Jugendlichen attackiert.
Es sei "eine sehr kleine Gruppe", wegen der man hier sei, das betont der 54-Jährige immer wieder. Menschen zwischen 14 und 21, darunter genauso junge Frauen wie Männer, "von der Nationalität völlig durchgemischt", Menschen ohne klassische Badekleidung. Und er betont, dass man verschärfte Regeln wie das in der neuen Parkordnung vorgeschriebene Bußgeld "großzügig" auslege, "nicht jeden mit einer Halben" stoppe – im Englischen Garten darf laut Parkverordnung niemand Alkohol trinken, der dadurch andere "mehr als unvermeidbar" belästigt, wie es eher vage heißt.
"Die Polizei macht unnötig Stress", klagt ein Teenager
Vom Chinesischen Turm aus geht es im Schatten der Bäume Richtung Karl-Theodor-Wiese. Dort lässt sich die Mehrzahl der von Funk erwarteten rund 5.000 Besucher zum Sonnenbaden und Picknicken nieder. Auf dem Weg passieren die Polizisten eine Gruppe junger Erwachsener, die sich bei einem Trinkspiel darin messen, möglichst schnell möglichst viel Bier zu trinken. Situationen wie diese, so Funk, stellten einen "Grenzbereich" dar. Die Gruppe sei augenscheinlich nicht aggressiv; sie würde er daher normalerweise höchstens ansprechen, auf die Regeln hinweisen, aber nicht anzeigen. "Die sind erwachsen, wegen denen sind wir nicht hier."

Mehrere Jugendliche mit leeren Bierflaschen in der Hand, bei einer davon ist der Hals abgebrochen, spricht Funk dagegen sehr deutlich an und bittet sie, diese ordnungsgemäß zu entsorgen. Einen weiteren auf einem E-Scooter klärt er darüber auf, dass dieser als Kraftfahrzeug gelte und nicht im Park gefahren werden dürfe. "Das wissen viele nicht", sagt Funk und belässt es bei einer Ermahnung. Seien E-Scooter-Fahrer aber alkoholisiert, bekämen sie ihren Führerschein entzogen. Solche Situationen seien herausfordernd: "Wenn Alkoholisierte kommen, braucht man ein dickes Fell. Aber von den anderen bekommt man viel positive Rückmeldung."
Aber nicht von allen. "Die Polizei macht oft unnötig Stress", sagt Sascha. Der Jugendliche hat die Gruppe beobachtet. Ein 17-jähriger Freund von ihm sei mal in alkoholisiertem Zustand von drei Polizisten überwältigt, sein Gesicht gegen eine Autotür geschlagen worden. "Es ist okay, wenn sie hier sind, aber manchmal übertreiben sie." Ein solcher Fall sei ihm nicht bekannt, sagt Funk später. Und über Sascha: "Nicht das klassische Badepublikum", wie anfangs erläutert.
E-Garten: Die Polizei will Präsenz zeigen
Derweil haben zwei berittene Polizisten eine Runde über die Wiese gedreht. Präsenz zeigen, darum soll es laut Funk vor allem gehen. Bei rund 35 Grad tragen Florestan und Enrico, wie die Pferde heißen, schwarze Netzhäubchen zum Schutz vor Fliegen. Sofort kommt ein Dutzend Teenager angelaufen, sie fragen, ob sie die Tiere streicheln dürften. Manche halten unbekümmert angebrochene Bierflaschen in der Hand.
Einer der Reiter erklärt, dass die Polizeistreifen oft langsamer seien als sie selbst zu Pferd. "Man ist autark, aber du musst wissen, was du machst." Spaß mache das schon. "Der war ja mal mega-entspannt", sagt Jakob, einer der Teenager, anschließend. Das sei nicht immer so: "Ein paar Freunde von uns wurden vorhin kontrolliert," erzählt der 17-Jährige. Sein Freund Bene, ebenfalls 17, fragt sich: "Warum wird man mit einem Bier in der Hand kontrolliert?"

Einer der beiden Hauptkontrollpunkte der Polizei liegt unweit der Ecke Lerchenfeldstraße-Prinzregentenstraße. Hier stehen etwa 20 Polizisten links und rechts am Wegrand und beobachten die Menschenmassen, die durch jene Passage den Englischen Garten betreten. Einige Befunde: Ein Jugendlicher hat Drogen dabei; ein anderer, mit Bierkasten in der Hand, wird abgetastet und dann laufen gelassen; einem weiteren wird ein Pflaster auf eine blutende Wunde geklebt.
Die Polizei achtet auf bekannte Gesichter
Beobachtet werde entlang von Merkmalen, sagt ein Beamter: "Wie schaut der mich an? Schaut er weg? Das Gefühl dafür kriegt man." Funk spricht von "Erfahrungswerten", dem "Habitus" einer Person, der Kleidung. Ob jemand betrunken wirke oder aggressiv auftrete. Auch auf bekannte Gesichter achte man. Auf Nachfrage, was unter diesen Erfahrungswerten zu verstehen sei, weicht Funk aus: "Schwer zu erklären". Ob es Racial Profiling gebe, die Leute aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert werden? "Das spielt überhaupt keine Rolle", sagt er bestimmt.
Zwei Diensthundeführer tauchen mit ihren tierischen Spürnasen Ambra und Sony auf. An so einem Sommerabend würden die Drogenspürhunde etwa sechs bis acht Mal während einer Schicht anschlagen, sagt Sebastian S. Vom Gramm bis zum Kilo, verschiedene Drogen, alles sei dabei, so der 33-Jährige.

Auf der Karl-Theodor-Wiese, der Monopteros in Sichtweite, sitzt Anna-Marie alleine auf einer Decke im Gras, neben sich ein Mountainbike. Sie habe geglaubt, etwas sei passiert und deshalb seien so viele Polizisten vor Ort, sagt sie. An eine Kontrollaktion habe sie nicht gedacht, so die 24-Jährige. "Jetzt wo ich weiß, dass nichts ist, gibt es mir ein Sicherheitsgefühl."
Wenige Meter weiter sonnen sich zwei Eltern mit Tochter und Sohn, beide elf Jahre alt. Ob die Kontrollen sie störten? "Das tangiert uns nicht", meint Vater Jonas. Man könne die Polizisten aber nicht ignorieren, dafür seien es zu viele, sagt Mutter Nina. Und: "Ich find's richtig. Es sind ja mehrere Altersgruppen hier, auch Kinder alleine." Ihr zweiter Sohn (13) sei alleine unterwegs. "Es hat ja auch einen Grund, weil Menschen sich nicht benehmen können," pflichtet ihr Mann ihr bei. "Ich glaub schon, dass das was bringt."
Polizeidirektor: "Tut's den Schmarrn nicht"
Etwa zehn Diebstähle würden an einem "starken Wochenende" angezeigt, sagt Funk. Die Dunkelziffer liege vermutlich höher, aber auch so könnten es mehr sein. Funk blickt von einer Brücke auf den Eisbach und zählt demonstrativ die Vorbeischwimmenden: "eins, zwei, drei, vier, fünf ...". Eigentlich ist das Schwimmen im Eisbach verboten, es wird geduldet. Ob man von der Brücke springen dürfe, fragen ihn vier triefnasse Teenager. "Tut's den Schmarrn nicht", mahnt Funk. Den meisten Leuten ist das offenbar wurscht.
Bilanz der Kontrolle: Ein paar Joints und Alkohol
Eigentlich war die Kontrollaktion länger geplant, doch die Beamten mussten vorzeitig abbrechen, da sie zur Verstärkung in Starnberg gebraucht wurden.
Die Bilanz der sechsstündigen Kontrolle im Englischen Garten: Fünf Besucher hatten Joints dabei. Drei waren noch zu jung für Alkohol und Zigaretten, sie wurden ihren Eltern übergeben. Ein junger Mann beging gleich zwei Verstöße: Er fuhr E-Scooter, was im E-Garten verboten ist, und das auch noch betrunken. | Nina Job
Lesen Sie hier den Kommentar zur Polizeikontrolle im E-Garten: Eine Gratwanderung