Polizei hat Corona-Gästelisten auch für kleinere Delikte benutzt

Die bayerische Polizei hat die Daten von Corona-Gästelisten in Gastronomiebetrieben genutzt – offenbar auch bei kleineren Straftaten, entgegen ursprünglicher Angaben.
Agnes Kohtz |
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Im Juli wurde bekannt, dass bayerische Polizeipräsidien für Ermittlungen auf die Corona-Adresslisten zurückgreifen.
Im Juli wurde bekannt, dass bayerische Polizeipräsidien für Ermittlungen auf die Corona-Adresslisten zurückgreifen. © Carsten Rehder/dpa/dpa

München - Im Juli ist bekannt geworden, dass verschiedene Polizeipräsidien in Bayern die Adressdaten, die Gäste aktuell laut bayerischer Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in Gastronomiebetrieben angeben müssen,  für ihre eigenen Zwecke genutzt haben.

Dem Innenministerium zufolge allerdings nur bei Ermittlungen von schweren Straftaten, wie etwa Totschlag. Doch jetzt liegen neue Daten über die Verwendung der Corona-Gästelisten vor.

Wie die "SZ" berichtet, zeigen detailliertere Angaben des Ministeriums jetzt, dass auch kleinere Delikte dabei waren. Einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage des FDP-Fraktionsvorsitzenden Martin Hagen nach ging es bei insgesamt 24 Zugriffen auf die Gästelisten um "repressive" wie auch "präventiv-polizeiliche" Verfahren. 

Gästelisten-Einsicht auch bei kleinen Straftaten

Neben schweren Straftaten wie bandenmäßigen Drogenhandel, schwerem Raub oder Mord und Totschlag waren jedoch auch weniger gravierende Delikte wie Beleidigung, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort oder Diebstahl dabei. Strafverfahren wurden bis Ende Juli keine eingeleitet. Nahezu alle Regionen in Bayern sind betroffen, jedoch fallen knapp die Hälfte der zwei Dutzend Fälle in die Zuständigkeitsbereiche der Polizeipräsidien München und Oberbayern Süd. 

Das Ministerium betont die "Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit", es bestehe außerdem keine Benachrichtigungspflicht der Gäste, deren Daten man einsah.

Martin Hagen von der FDP.
Martin Hagen von der FDP. © dpa

Hagen sieht seinen ursprünglichen Verdacht als bestätigt: Der Zugriff auf die Gästedaten sei nicht nur bei besonders schwerer Kriminalität erfolgt, außerdem wurden laut Antwort des Ministeriums Daten Unbeteiligter erhoben und gespeichert. "Ich halte das für hochproblematisch. Diese Gästelisten wurden ausschließlich zur Pandemiebekämpfung eingeführt. Eine Zweckentfremdung zerstört das Vertrauen der Bürger in staatliches Handeln und Akzeptanz für die Corona-Regeln", erklärt er seine Bedenken. 

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28 Kommentare
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  • Racuk am 03.09.2020 17:20 Uhr / Bewertung:

    Hauptsache, die Politiker tragen ihre Empörung über russische oder chinesische Verhältnisse demonstrativ zur Schau. Die kleine Ungeschicklichkeit mit den Coronadaten ist doch hierzulande schnell vergessen, und dann kann man wieder von oben herab mit dem Zeigefinger fuchteln.

  • Der wahre tscharlie am 03.09.2020 16:14 Uhr / Bewertung:

    Big Brother is watching you. Noch nie war die Gelegenheit, Daten von Bürgern zu sammeln größer, als zu Corona. Das ging schon los mit dem Bußgeld verteilen. Und nun die Gästelisten.
    Ich möchte nicht wissen, welche unbescholdenen Bürger alles im Polizeicomputer landen. Denn man muß sich ja vor Augen halten, um die paar Hansel zu finden, müssen ALLE auf den Gästelisten durch den Computer gejagt werden.
    Und da gibts bestimmt einige Treffer mehr, besonders bei denen, die politisch aktiv sind.

  • phi am 03.09.2020 15:52 Uhr / Bewertung:

    Kann sich eigentlich keiner geistig in einen Geschädigten versetzen? Was muss der von der Strafverfolgung denken, wenn die Möglichkeit zur Täterfeststellung außer Acht gelassen wird?
    Beim Eintrag wird der Gast kaum wissen, dass er z.B. zwei Stunden später eine Unfallflucht
    begeht. Im übrigen empfehle ich die Lektüre des §163 StPO!

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