Polizei erschreckt drei Rentner beim Bieseln
Das öffentliche WC am Harras soll ein „Szene-Treff“ sein. Drei Rentner, die dort gerade bieseln, müssen sich ausweisen. Sie fühlen sich erniedrigt und entwürdigt.
Seine Hände zittern, Stefan R. fasst sich ans Herz. Der 70-Jährige ist sehr aufgeregt. Allein die Erinnerung an das, was er vergangene Woche erlebt hat, wühlt ihn Tage später noch so auf, dass er das Gespräch mit der AZ vorzeitig abbrechen muss.
Der 70-Jährige stand gerade mit offener Hose in einer öffentlichen Toilette im U-Bahn-Zwischengeschoss am Harras, als am Donnerstagnachmittag zwei Polizisten hereinkamen. Der Zivilbeamte, der in Begleitung einer jungen Frau war, forderte die Männer auf: „Kommen Sie alle mit raus!“ Die Männer mussten sich ausweisen.
„Ich fand das so diskriminierend. Ich habe mich gefühlt wie ein Schwerverbrecher“, berichtet Stefan R. (alle Namen geändert). Mit ihm gerieten noch ein 49 Jahre alter schwerbehinderter Frührentner und ein 80-jähriger früherer Bankangestellter in die Kontrolle.
Die Polizisten notieren die Namen der Männer, die das WC benutzen
Martin F. war auf dem Weg zu einem Arzt-Termin. „Ich gehe auf dem Weg zur U-Bahn häufiger auf dieses Pissoir. Da ich schwerbehindert bin, muss ich öfters als andere“, erzählt der Thalkirchner. Aber so etwas hatte er noch nie erlebt. „Mit mir waren noch die beiden anderen Männer im Pissoir. Wir kannten uns nicht. Plötzlich hörte ich, wie jemand reinkam. Dann hieß es ‘Polizei! Kommen Sie mit raus!“ Einer der Männer fragte noch, ob sie ihr Geschäft wenigstens noch zu Ende verrichten dürften.
Im Zwischengeschoss, vor der Eisentür der Toilette, mussten sich die Männer dann ausweisen. „Die Polizisten haben unsere Namen und Adressen notiert. Dies geschah vor zig Passanten, die natürlich schauten, was da los ist. Ich fühle mich von den Polizisten in meiner Würde verletzt!“, sagt der 80-jährige Peter S. Bei der Kontrolle regte sich der 70-Jährige so auf, dass er seinen Geldbeutel fallenließ. „Ich dachte, gleich bekommt er einen Herzinfarkt“, erinnert sich Peter S.
Die Pissoirs am Harras
Bis heute begreifen die drei Männer nicht, warum ihre Namen notiert wurden. „Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen, aber jetzt stehen wir wahrscheinlich auf irgendeiner Liste! Das ist ja wie zu Gauweilers Zeiten“, empört sich der 80-Jährige. Darüber hinaus ärgert ihn der Umgang mit Homosexuellen, die die Polizei offensichtlich auf der Toilette vermutete: „Jeder Münchner Bürgermeister fährt beim CSD mit und dann sowas. Das ist diskriminierend und beschämend für unsere Stadtregierung!“, sagt er.
Die Toilette am Harras ist zum Szene-Treff für Homosexuelle geworden
Die Polizei begründet die Aktion damit, dass sich die Toilette am Harras zu einem Szene-Treff für Homosexuelle entwickelt habe. Solche Treffs gibt oder gab es auch in Laim, am Odeonsplatz oder am Hauptbahnhof. „Manche erregt es bereits, in einer öffentlichen Toilette das Geschlechtsteil eines anderen zu sehen“, sagte ein Polizeisprecher zur AZ.
Im Pissoir am Harras habe es bereits mehrere Anzeigen wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ gegeben – sprich: Es soll dort zu sexuellen Handlungen gekommen sein. „Um solche Vorkommnisse zu verhindern, müssen wir in das Pissoir reingehen, sonst bringt es nichts“, sagt der Polizeisprecher. „Das muss einen Überraschungseffekt haben, sonst kann man niemanden auf frischer Tat erwischen.“
Ein anderer Polizeisprecher versicherte der AZ, dass die Namen der Männer, die das öffentliche WC einfach nur dazu genutzt haben, wofür es gedacht ist, nicht auf einer „Liste“ landen würden. Auch würden die Daten nicht gespeichert. „Das dient nur der Abschreckung.“
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