Politiker zum CSD: Schwul in der Öffentlichkeit? Passt!
In der Show-Branche zuckt doch kaum mehr einer, wenn sich ein/e Prominente/r zur Homosexualität bekennt. Deutschland lacht mit Hape Kerkeling, diskutiert mit Anne Will und weint um Dirk Bach. In der Politik ist es inzwischen augenscheinlich ähnlich: Deutschland hat in Guido Westerwelle einen schwulen Außenminister und die Hauptstadt Berlin einen schwulen Bürgermeister: Klaus Wowereit. Doch wie schwer ist es für schwule und lesbische Politiker nach oben zu kommen? Und wie gehen sie damit um, dass ihre Sexualität Thema in der Partei und der Öffentlichkeit ist? Auch dies ist ein Thema der „Pride Week“ und des Christopher Street Day, der noch bis zum Wochenende geht. In der AZ kommen heute drei Münchner Politiker zu Wort. Sie erzählen auf dieser Seite, wie sie mit ihrem Schwulsein in der Öffentlichkeit und in der Society umgehen.
„Ich dachte, dass beim Fernsehen alle schwul sind“
Christian Vorländer (39, SPD): Der Bundestagskandidat schaut im Moment von Plakaten auf fast jede Straßenkreuzung; er ist auch im Fernsehen als Strafverteidiger bei „Richter Alexander Hold“ zu sehen. „Ich dachte ja, dass beim Fernsehen alle schwul sind. Komischerweise nicht. Ich war der interessante Paradiesvogel“, sagt Vorländer. 2007 hat er sich mit seinem langjährigen Freund Magnus verpartnert. Nicht immer ist er so offen zu ihm gestanden wie heute. „Ich habe das zu Beginn meiner SPD-Karriere nicht offen gesagt. Ich hatte Angst, dass andere über meinen Rücken schneller aufsteigen.“ Im Rückblick sagt Vorländer: „Wenn ich Politik mache, dann als ganzer Mensch.“ Vor zehn Jahren hat er sich geoutet, nach und nach: Er tritt den Schwusos bei, den Schwulen und Lesben in der SPD, engagiert sich für die Gleichstellung und spricht offen über seine Partnerschaft. „Da halte ich es mittlerweile mit meinem Vorbild Klaus Wowereit: Ich bin schwul – und das ist auch gut so.“
„Ein inneres Unbehagen, das Thema anzusprechen“
Hermann „Beppo“ Brem (51, Grüne): Er gilt als Klemmschwester: Noch heute ist es ihm unangenehm, wenn er bei gesellschaftlichen Anlässen einem Ehepaar gegenüber steht und seinen Partner vorstellen soll. „Ich habe ein inneres Unbehagen, das Thema anzusprechen.“ Seit zehn Jahren ist er angekommen, auch als schwuler Politiker. „Bei den Grünen ist das natürlich einfach. Wobei es heute kein Grund mehr ist, dass man schneller Karriere macht.“ Als junger Mann war Brem bei der FDP, brachte es bis zum Bundesvorsitzenden der Jungen Liberalen. „Da habe ich nie angesprochen, dass ich schwul bin. Ich habe ja mitgekriegt, wie Möllemann und Co. über Guido Westerwelle getuschelt haben.“ Die Grünen haben ihn dann angesprochen, weil er das schwul-lesbische Sportfest „Euro Games“ nach München geholt hatte. Brem ist als schwuler Politiker präsent in den Medien – doch Arbeitskollegen gegenüber ist er offiziell nicht geoutet. Als er sich 2011 verpartnert hat, haben die aber auch alle gratuliert.
„Unerträglich, wie Stoiber auf Homosexuelle eindrosch“
Manfred Krönauer (38, FDP): „Ich bin ganz normal schwul“, sagt der Bundestagskandidat und lehnt sich entspannt zurück. Und weil es so normal für ihn ist, ist er Mitte der 90er als junger Mann aus der CSU ausgetreten. „Das war unerträglich, wie Edmund Stoiber auf Homosexuelle eingedroschen hat. Ich habe mich so darüber geärgert.“ Da war Krönauer bei der Jungen Union in Hadern und wollte sich für Gleichstellung einsetzen. „Das hat keinen interessiert, niemand hat mir zugehört.“ Ein paar Jahre hatte er genug von Politik und arbeitete als Steuerberater. 2007 ging er zu den Jungen Liberalen, kam zu den Stammtischen. Nach kurzer Zeit sagte einer zu ihm: „Sag mal, bist du eigentlich schwul?“ Seitdem setzt er sich ganz offen für seine Themen ein: die Öffnung des Begriffs Ehe, die Gleichstellung im Steuer- und Verfahrensrecht – und die kleinen Dinge: So erfasst etwa keine Polizei-Statistik homophobe Straftaten. Krönauer möchte das ändern, um zu zeigen, dass nicht jeder begriffen hat, Schwulsein sei ganz normal.