Pizza am Biertisch? - wurscht!

Der „Verein für Biergartentradition“ sieht die bayerische Kultur in Gefahr, weil manche Besucher auch Exotischeres als Obazda und Brezn mitbringen. Die Wirte bleiben gelassen.
von  Anne Kathrin Koophamel, Julia Lenders
Der "Verein für Biergartentradition" sieht die bayerische Kultur in Gefahr, weil manche Besucher auch exotischere Sachen als Obazda und Brezn mitbringen. Doch die Wirte bleiben gelassen.
Der "Verein für Biergartentradition" sieht die bayerische Kultur in Gefahr, weil manche Besucher auch exotischere Sachen als Obazda und Brezn mitbringen. Doch die Wirte bleiben gelassen. © Daniel von Loeper

Der „Verein für Biergartentradition“ sieht die bayerische Kultur in Gefahr, weil manche Besucher auch exotischere Sachen als Obazda und Brezn mitbringen. Doch die Wirte bleiben gelassen.

München - Eine Brezn, dazu eine Maß. Und wie wär’s danach mit einer Pizza? „Mei, das passt doch wunderbar zum Bier. Manche bringen ihren Radi mit, andere Pizza“, sagt Karl Berger, den die AZ im Biergarten am Chinesischen Turm trifft. Zulangen will Berger aber doch nicht, als die AZ ihm eine mitgebrachte Margherita anbietet. „Da ist zu wenig drauf. Aber schlimm find ich es nicht, wenn sich die einer liefert lässt.“

Der Bayer ist tolerant – doch die Präsidentin des Vereins zur Erhaltung der Biergartentradition schlägt Alarm. „Pizza gehört sicher nicht in den Biergarten“, sagt Ursula Seeböck-Forster. „Was man da heute manchmal sieht, hat oft nicht mehr viel mit einer Brotzeit zu tun.“ Für sie verkommt der Biergarten zur „Partyzone“, in der Gruppen junger Leute mit Pizza, Döner und Quiche die Tische blockieren. „So ist das aber nicht gedacht. Der Biergarten soll in erster Linie eine Gelegenheit für Familien sein, bei schönem Wetter draußen zu essen.“

Neben jungen Leuten sieht sie internationale Speisen als Gefahr. „Eine Brotzeit ist etwas relativ Einfaches und meistens kalt: Brezn, Radi, Obadza, Wurstsalat, Leberkäs oder ein bisschen Käse.

Den liefern die Pizzabäcker allenfalls geschmolzen obendrauf – und machen ein gutes Geschäft. „Wir liefern grundsätzlich in alle Biergärten“, sagt ein Lieferant von Call-a-Pizza auf Nachfrage der AZ. „Das kommt häufig bei den Biergärten um den Englischen Garten vor, China-Turm und Seehaus.“ Anders sieht es in Nymphenburg aus. „Wenn Sie eine Pizza in den Hirschgarten geliefert haben wollen, müssten wir uns auf dem Parkplatz davor treffen“, heißt es bei Joey’s Pizza. Es sei schwer den Kunden zu finden – und gerne sehen die Wirte die Lieferanten mit Thermobox nicht.
„Von mir aus können die Gäste alles mögliche zum Essen mitbringen“, sagt Wirt Ricky Steinberg vom Hofbräukeller am Wiener Platz. „Auch Quiche und Omas Nudelsalat. Nur keine Getränke.“ So steht es auch in der Biergartenverordnung.

„Ein Biergarten ist für mich ein Ort, wo sich alles trifft, multikulti,“, sagt Steinberg. Das dürfe sich auf dem Tisch widerspiegeln, mit Tzaziki, Oliven, türkischem Börek oder auch Pizza. Im HB-Biergarten gibt es sogar eine Cocktail-Lounge. Steinberg: „Die polarisiert auch, aber die meisten stören sich nicht daran.“ Das sei für ihn gelebte bayerische Toleranz.
Toni Roiderer vom Wildpark in Straßlach sieht die Pizza am Biertisch ebenfalls gelassen. „Ob sich der Gast einen Leberkas oder eine Pizza mitbringt, dass kann dir wurscht sein. Der Gast entscheidet, was er essen mag.“

Für Michael Fiebing, der mit seinen Freunden im Augustinerbiergarten an einer wahren Brotzeittafel sitzt, ist das eine Unart. „Pizza im Biergarten? Das ist ja assig. Ich geh doch auch nicht zum Italiener und bestell eine Schweinshaxn.“ Er hält sich lieber an Nudel- und Wurstsalat, den seine Bekannte Tine Ottes mitgebracht hat – und auch gegen griechischen Feta und französische Kekse hat die Gruppe nix. Ein paar Tische weiter hat Martin Numberger italienische Antipasti mitgebracht. „Das ist von gestern übrig geblieben und nur eine Dreingabe zu Obadza und Regensburger.“

Christian Schottenhamel, der die Menterschwaige und den Löwenbräukeller betreibt, ist kulinarisch weltoffen. „Ich kann einem Gast nicht vorschreiben, was er mitbringen darf – ob Pizza, Sushi oder Wurstsalat.“ Der Vorstoß des Vereins, die Pizza im Biergarten zu verbietet findet er „etwas engstirnig“. „Wichtig ist doch, dass die Tradition an sich erhalten bleibt, sich etwas mitzubringen.“ Und: „Wenn einer Lust hat auf Pizza, dann muss er sich um die Ecke eben eine holen.“

Hier verläuft für Schottenhamel die Grenze: Pizza mitbringen sei in Ordnung, sie in den Biergarten liefern lassen, aber nicht. „Das geht ein bisschen zu weit.“
Rausgeschmissen habe er aber noch niemanden wegen einer zu üppigen Tafel. „Es sind vielleicht drei bis fünf Prozent der Besucher, die ihre eigene Brotzeit mitbringen. Das nimmt nicht Überhand“, sagt Schottenhamel.

Der prominenteste Biergartenbesucher, der seinen Tisch in der Menterschwaige fein eindeckte, war übrigens Rudolph Moshammer. „Er hat das Porzellan-Geschirr seiner Großmutter mitgebracht.“


Das gilt: Die Bayerische Biergartenverordnung

In Bayern ist es Tradition, seine Brotzeit mit in den Biergarten zu bringen: Seit dem 19. Jahrhundert dürfen an Bierkellern per Königsdekret Getränke ausgeschenkt werden. Essen durften die Brauer aber unter Ludwig I. nicht verkaufen, damit den anderen Wirtschaften des Landes das Geschäft nicht verdorben wurde.

Statt des alten Dekrets gilt heute die Biergartenverordnung von 1999: Eine mitgebrachte Brotzeit darf verzehrt werden, die Getränke aber müssen vom Wirt abgenommen werden – egal ob Bier, Radler oder alkoholfrei.

„Ein Biergarten ist grundsätzlich eher Schank- als Speisewirtschaft“, heißt es dort. Und: „Biergärten erfüllen wichtige soziale und kommunikative Funktionen, bieten gerade Besuchern mit niedrigem Einkommen und Familien, insbesondere durch die Möglichkeit zum Verzehr mitgebrachter Speisen, eine erschwingliche Gelegenheiten zum Einkehren.“


 

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