Pinakothek: Risse am Renommierbau

München - Die Zettel übersieht man leicht. Zwei Amerikaner rütteln ratlos an den riesigen Glastüren – alles dicht: „Wegen Gerüstarbeiten ist die Pinakothek der Moderne am Dienstag und Mittwoch geschlossen. Wir bitten um Verständnis“. Heute, Donnerstag, gehen die Tore zwar wieder auf, aber am Samstagabend, wenn Tausende in Münchens „Lange Nacht der Museen“ ausschwärmen, bleibt der Hauptmagnet des Kunstareals zu. Der Grund: Mauerrisse in der Rotunde müssen untersucht werden. Und das sofort.
„Wir wollen jede Gefährdung ausschließen“, sagt Klaus Schrenk, Generaldirektor der Staatlichen Gemäldesammlungen. „Durch die Einrüstungen ist nur ein kleiner Abgang zu Garderoben und Toiletten frei – wenn Menschenmassen hereinströmen, können wir die Sicherheit nicht mehr gewährleisten.“
Wer so schnell reagiert, muss einen gewichtigen Grund haben. Zwar seien tragende Wände nicht betroffen, betonen Bauexperten, es könnte sich allerdings – mit einigem Pech – ein Putzbrocken in einem der Risse lösen. „Wir untersuchen das ja schon jahrelang“, erklärt Kurt Bachmann, der Leiter des Staatlichen Bauamts München I. „2007 haben wir eine Zunahme dieser Risse festgestellt, heuer hat sich das noch einmal gesteigert. Auch in einer Größe, die man selbst aus einiger Entfernung gut sehen kann. Der Vertikalriss gegenüber vom Buchladen misst immerhin 17 Meter.“
Der 121-Millionen-Prachtbau hat noch nicht einmal zehn Jahre auf dem Buckel. Im September 2002 wurde die von Architekt Stephan Braunfels konzipierte Bilderburg aus Stahlbeton eröffnet.
Schon nach anderthalb Jahren war die Zwei-Millionen-Besucher-Marke überschritten. Wer die Kunst von der Klassischen Moderne bis in die jüngste Gegenwart sehen möchte, passiert die lichte Rotunde. 21 Meter dreht sie sich in die Höhe, hier pocht das Herz des Hauses. Hier treffen sich die Besuchergruppen, hier gibt’s die Tickets. Morgens, gleich nach zehn, sammeln eifrige Lehrer ihre zur Kunst verdonnerten Schüler ein. Und auch abends hat der Raum seinen Reiz. Nicht nur das Münchener Kammerorchester schätzt das unkonventionelle Ambiente als Konzertsaal.
Fragt sich nur, wie lange das so bleiben kann. Jetzt verstellen erst einmal Gerüste, Hebebühnen und Plastikfolien den Blick auf die maladen Stellen. Die wurden nach den letzten Untersuchungen 2007 kosmetisch beseitigt. „Man hat damals angenommen, der Stahlbeton schwindet“, sagt Kurt Bachmann. Was das Absenken der Decken bedeutet. Zwar in Bruchteilen von Millimetern. „Aber wenn zwischen vorgeblendetem Ziegelmauerwerk und Decke keine Fuge ist, übt das Druck auf die Wand aus.“ Immensen Druck, wie sich herausgestellt hat. „Wenn man unten in einer Wandhöhe von drei Metern bohrt“, erläutert Bachmann, „bewegt sich oben im anderen Eck, in etwa zehn Metern Höhe, der Riss“.
Auch der Bauamtschef unterstreicht, das Ganze sei kein statisches Problem, die Stahlbetonkonstruktion frei von Rissen. Diese tauchten alle in der äußersten und damit sichtbaren Rotundenschale im Abstand von zwölf Zentimetern zur tragenden Stahlbetonwand auf. Um die Standfestigkeit zu gewährleisten, habe man die beiden Mauern alle paar Fugen ineinander verankert. Bei der Untersuchung des Hohlraums zeigte sich nun, dass die Anker zum Teil aus der Wand gerissen sind.
Ende November, also noch in diesem Jahr soll das Gutachten vorliegen. Vorher will Pinakotheken-Chef Klaus Schrenk keine Prognosen wagen. Betroffen ist jetzt vor allem die Neue Sammlung, die Gerüste reichen in deren Schauräume hinein. Und der Leiter, Florian Hufnagl, gibt sich ein wenig zerknirscht. Seine nächste Ausstellung, eine Retrospektive des Stardesigners Stefan Wewerka, musste er absagen. Bis auf Weiteres.
Mehr ist noch nicht absehbar, aber wenn es zu größeren Umbau- oder Renovierungsmaßnahmen kommen sollte, dann wird die dritte Pinakothek wohl für längere Zeit schließen müssen.