Tödlicher Medikamentencocktail! Pfleger bringt Münchner Patienten in Lebensgefahr

München - Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln gegen einen 24-jährigen Mann, der als Pfleger im Klinikum rechts der Isar mehreren Patienten absichtlich falsche Medikamente verabreicht und sie so in Lebensgefahr gebracht haben soll. Am Mittwochmittag haben Oberstaatsanwältin Anne Leiding und der Leiter der Münchner Mordkommission, Josef Wimmer, über den aktuellen Ermittlungsstand informiert.
Demnach seien die Ermittlungen nach dem Hinweis eines aufmerksamen Oberarztes aufgenommen worden. Der 38-Jährige hatte nämlich am vergangenen Sonntag wegen eines schwerwiegenden Verdachts die Klinikleitung informiert, die anschließend Anzeige erstattete.

Aufmerksamer Oberarzt bringt Ermittlungen ins Rollen
Laut Wimmer war der Pfleger einen Tag zuvor, am Samstag, im Einsatz – er kümmerte sich um mehrere Patienten in einem Wachraum. "Plötzlich und drastisch" habe sich dann der Gesundheitszustand eines 91-jährigen Münchners und einer 54-Jährigen aus dem Landkreis München verschlechtert.
Derartige Vorfälle sind nicht alltäglich, aber auch nicht sonderlich ungewöhnlich – vor allem bei Schwerkranken. Immer wieder kommt es vor, dass Patienten nach einem schweren Eingriff Probleme bekommen. Doch zwei Fälle an einem Tag innerhalb weniger Stunden, das weckte das Misstrauen des diensthabenden Oberarztes.
Dem Oberarzt lagen zudem Informationen vor, dass der 24-Jährige auch am 25. Oktober im Dienst war, als sich ein ähnlicher Vorfall bei einem 90-jährigen Patienten aus dem Landkreis München ereignet hatte. Auch er musste reanimiert werden, auch er überlebte.
Wurde den Patienten ein Blutverdünner verabreicht?
Der Oberarzt ließ daraufhin Blutuntersuchungen der drei Patienten anordnen – seine dunkle Vorahnung bestätigte sich. Die Proben zeigten, dass allen drei Patienten ein Medikament verabreicht wurde, für das keinerlei medizinische Indikation bestand. Zudem war die Dosierung des Präparats viel zu hoch. Daraufhin alarmierte der Oberarzt die Klinikleitung, die den Pfleger nicht mehr für weitere Schichten einteilte und die Polizei verständigte.
Welches Medikament der Krankenpfleger verabreicht hatte, wollten Polizei und Staatsanwaltschaft aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen. "Das ist Täterwissen", sagte Leiding "und wird erst im Prozess zur Sprache kommen". Möglich wäre, dass die Frau und die beiden Senioren Heparin injiziert bekamen. Ein Präparat, das als Blutverdünner oft nach Operationen verabreicht wird, um der Gefahr von Thrombosen vorzubeugen.

"Der zuständige Pfleger wurde sofort außer Dienst gesetzt. Das Klinikum schaltete unverzüglich die Kriminalpolizei ein", schreibt die Klinikleitung in einer offiziellen Stellungnahme. Auch in den beiden jüngsten Fällen überlebten die Patienten. Der Zustand des 91-Jährigen ist laut Klinikleitung jedoch immer noch sehr ernst.
Der Krankenpfleger war für vier Patienten in einem Wachraum zuständig. Dort werden nicht mehr intensivpflichtige Patienten untergebracht, die unter ständiger Aufsicht eines Pflegers und mit Hilfe technischer Überwachungsgeräte beobachtet werden. Die Patienten im Wachraum müssen medizinisch eng betreut werden.
Pfleger bestreitet alle Vorwürfe - Haftbefehl erlassen
Der Krankenpfleger wurde zunächst als Zeuge befragt, dabei verwickelte er sich in Widersprüche. Am Sonntag wurde dem 24-Jährigen eröffnet, dass er unter Tatverdacht stehe. Einen Tag später wurde er von der Polizei vorläufig festgenommen und vernommen. Bei der, laut Leiding, "sehr langen" Vernehmung bestritt der Pfleger, der bereits wegen kleinerer Eigentumsdelikte polizeibekannt ist, sämtliche Vorwürfe. Am Dienstag wurde ein Haftbefehl erlassen. Konkret geht es um versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei tatmehrheitlichen Fällen, sagte Leiding am Dienstag.
Die Mordkommission ermittelt, für den Fall wurde die Ermittlungsgruppe "Wachraum" mit insgesamt zehn Beamten gegründet. Nun geht es darum, herauszufinden, ob der Pfleger noch für weitere Taten verantwortlich sein könnte. Dafür wird der gesamte Beschäftigungszeitraum des Mannes im Krankenhaus untersucht – der 24-Jährige arbeitete seit 1. Juli 2020 dort und war über eine Zeitarbeitsfirma im Klinikum beschäftigt. Auch vorherige Einsätze des Mannes werden untersucht, der erste Fokus liegt aber nun auf seiner Zeit in dem Münchner Krankenhaus. Nach jetzigem Stand, so Josef Wimmer, habe es in früheren Beschäftigungsverhältnissen keine ähnlich gelagerten Vorfälle gegeben.
Der Pfleger, der ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen kommt, hatte keinen Zugang zu den Medikamenten, die den Patienten verabreicht wurden. Laut Wimmer muss er "interne Kontrollen" in der Klinik überwunden haben.

Eindeutige Chatverläufe auf dem Handy des Pflegers gefunden
Chatverläufe auf dem Handy des Beschuldigten sollen den Verdacht bereits erhärten. In einem Gespräch soll der Pfleger Hinweise auf die Taten gegeben haben. Das Motiv? Laut Wimmer und Leiding wollte der 24-Jährige bei der anschließenden Reanimation mitwirken und so vor seinen Kollegen und Anderen als Lebensretter glänzen. Er wollte zeigen, dass er "ein Pfleger mit Herz und Leidenschaft ist", sagte Wimmer. Mit wem der Mann über die Reanimierungen chattete, wollte Leiding nicht sagen.
Für die Staatsanwaltschaft liegen gleich zwei Mordmerkmale vor: Zum einen die "niedrigen Beweggründe" – also das spätere Prahlen vor den Kollegen. "Heimtücke liegt aus unserer Sicht natürlich auch vor", sagte Leiding. "Die Geschädigten hatten ja auf keinen Fall mit einem solchen Angriff gerechnet."
Todespfleger zu lebenslanger Haft verurteilt
Tötungsdelikte in der Pflege machen deutschlandweit immer wieder Schlagzeilen. Erst Anfang Oktober hatte das Landgericht München I einen Hilfspfleger wegen Mordes an drei Patienten zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Der Mann aus Polen hatte alten Menschen, die er pflegen sollte, Insulin gespritzt, das als Überdosis tödlich sein kann.
Das Klinikum rechts der Isar ist nicht die erste Münchner Klinik, die von einem solchen Fall betroffen ist. 2016 verurteilte das Landgericht München I eine Hebamme des Klinikums Großhadern wegen siebenfachen Mordversuches im Kreißsaal zu 15 Jahren Haft. Nach Überzeugung des Gerichtes hatte die Frau Patientinnen bei Kaiserschnitt-Geburten heimlich Blutverdünner gegeben. Ohne Notoperationen wären sie gestorben.