Pflegedienst-Razzia: Polizei findet Gold, Uhren & 8 Millionen Euro!
München - Es sind Summen, mit denen auch die Ermittler gegen Wirtschaftskriminelle nicht alle Tage zu tun haben: So bunkerte der Geschäftsführer eines Pflegedienstes in Augsburg in seiner Wohnung das Geld gleich bündelweise. Drei Millionen Euro bewahrte der Mann zuhause auf. Ein anderer hatte ein Bankschließfach randvoll mit 500- und 100-Euro-Scheinen gefüllt – insgesamt 2,5 Millionen. Ein dritter kaufte sich für rund 200.000 Euro Goldbarren und luxuriöse Uhren von Rolex oder Hublot.
Razzia in München und Augsburg: Mehr als 600 Polizisten beteiligt
Diese Summen und Wertgegenstände stammen nach Überzeugung der Münchner und Augsburger Ermittler aus kriminellen Geschäften von Pflegedienstleistern. Sie sollen Patienten hilfsbedürftiger dargestellt haben als sie tatsächlich waren, um für Leistungen zu kassieren, die sie gar nicht erbracht hatten. Dabei machten sie offenbar oft mit Ärzten, Patienten und deren Familien gemeinsame Sache.

In einem Fall soll ein Pflegedienst einen Patienten aber auch ruhiggestellt haben, damit er einen höheren Pflegegrad bekam.
Büros, Banken, Privat- und Patientenwohnungen: Mehr als 600 Polizisten und 33 Staatsanwälte waren am Mittwoch an der großangelegten Durchsuchungsaktion in Augsburg und München beteiligt (Lesen Sie hier). Zehn ambulante Pflegedienste in beiden Städten standen im Fokus.
Augsburger Kripo zählte Geld bis Mitternacht
Die Ermittler füllten Dutzende Umzugskartons mit sichergestellten Dokumenten. Das eingezogene Geld transportierten sie in Koffern ab. Gerhard Zintl, Chef der Augsburger Kripo: "Wir haben insgesamt acht Millionen Euro gesichert. Das Zählen des Geldes dauerte bis nach Mitternacht."
Gegen 13 Führungskräfte der Pflegedienste wurden Haftbefehle wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr vollstreckt. Gestern gaben die Ermittler Details bekannt, wie die Beschuldigten nach derzeitigem Ermittlungsstand vorgegangen sind.
"Es geht um tägliche Medikamentengaben, Leistungen wie Rasieren, Waschen oder dem An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen", erklärte Oberstaatsanwalt Richard Findl. "Das sind vielleicht nur Kleinbeträge, aber viele zusammengenommen, ist das ein sehr, sehr lukratives Geschäft." Bei den Patienten soll es sich zum Teil um Sozialhilfeempfänger handeln, die sich gegen Zahlung von 20 bis 130 Euro im Monat auf die kriminelle Zusammenarbeit einließen.
Masche: Hilfsbedürftiger scheinen, als sein
Die Masche: Sie sollten hilfsbedürftiger scheinen, als sie waren, damit die Pflegedienste Beträge in Rechnung stellen konnten für Leistungen, die nie erbracht wurden.

So wurde ein vermeintlicher Patient erwischt, der rund 70.000 Euro Pflegekosten bezog, aber ganz normal als Schweißer arbeitete. Ein anderer angeblich Pflegebedürftiger arbeitete in einem Kiosk.
Jürgen Miller, Chef des zuständigen Dezernats bei der Münchner Polizei, schildert einen Fall, bei dem extra eine gebrauchte Krücke in die Wohnung eines Mannes gebracht wurde, nachdem sich ein Prüfer des Medizinischen Dienstes angemeldet hatte. "Mit der Krücke sollte er vorspielen, dass er gehbehindert ist. Nach der Begutachtung ging er ohne Krücke zum Friseur", so Miller.
Vor der Begutachtung wurden Rollatoren zu den Patienten gebracht
In anderen Fällen wurden vor der Begutachtung extra Rollatoren zu den Patienten gebracht. Miller: "Nach dem Besuch des Medizinischen Dienstes wurden sie wieder eingesammelt."
Einem Patienten seien Medikamente, die ihm drei Mal täglich gereicht werden sollten, einfach in der Packung dagelassen worden. Er sollte sich selbst bedienen.
"Uns ist ein großer Schlag im Kampf gegen kriminelle Pflegedienste gelungen", sagte Hans Kornprobst, Chef der Münchner Staatsanwaltschaft. Ermittelt wird wegen banden- und gewerbsmäßigen Abrechnungsbetrugs. "Hier wurden systematisch Schwächen im Kontrollsystem ausgenutzt", sagte er. "Unser Gesundheitssystem ist in Teilen ein Schlaraffenland für Kriminelle."
Wie groß die Verlockungen für Betrüger sind, verdeutlichen die enormen Summen, die in der Gesundheitsbranche umgesetzt werden: mehr als eine Milliarde – täglich. Das ist mehr als das gesamte Volumen des Bundeshaushalts.
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