Pflege-Notstand bei LMU und Co.: Münchens Kliniken werben Pfleger aus dem Ausland

An den Kliniken der TU, LMU und der Stadt München fehlen mehr als 300 Pflegekräfte. In Italien, Spanien und sogar in Asien werben sie um neue Mitarbeiter.
von  Anja Perkuhn/Nina Job
Alltag im städtischen Krankenhaus Schwabing: Ein Krankenpfleger bringt einen Patienten zu einer Untersuchung.
Alltag im städtischen Krankenhaus Schwabing: Ein Krankenpfleger bringt einen Patienten zu einer Untersuchung. © Petra Schramek

An den Kliniken der TU, LMU und der Stadt München fehlen mehr als 300 Pflegekräfte. In Italien, Spanien und sogar in Asien werben sie deswegen um neue Mitarbeiter.

München - Sie wechseln Verbände, geben Medikamente, begleiten Operationen und betten schwerstkranke Patienten: Gesundheits- und Krankenpfleger sind das Rückgrat unseres Gesundheitssystems. Ohne sie würde es zusammenbrechen.

Auf dem Campus Großhadern an der Staatlichen Berufsfachschule für Krankenpflege sind in 50 Jahren insgesamt 2.500 Pfleger ausgebildet worden. Die Schule feierte am Donnerstag ihr Jubiläum. Auch das Klinikum der TU, das Rechts der Isar und die städtischen Kliniken investieren viel in die Ausbildung von Pflegekräften.

Doch die beste Schule hilft nur begrenzt, wenn zu wenige Menschen diesen Beruf ergreifen wollen. Immer mehr Stellen in Münchner Kliniken können nicht besetzt werden. In den großen Kliniken werden aktuell insgesamt 320 Pflegekräfte gesucht. Die Folgen: Die Arbeitsbelastung für die Pfleger steigt, Patientenbetten können nicht belegt werden.

Pflege-Notstand: Kliniken auf Zeitarbeiter angewiesen

Im Klinikum der LMU sind 200 von 3.200 Stellen unbesetzt, bei den städtischen Kliniken (insgesamt 3.300 Pflegekräfte) 70 Stellen. Am Rechts der Isar (2.000 Pflegekräfte) fehlen 50 Pfleger auf den Intensivstationen und in der Anästhesie. Damit der Betrieb weiterfunktionieren kann, müssen Zeitarbeitskräfte beschäftigt werden. Doch: "Sie sind für uns fast doppelt so teuer wie Festangestellte", sagt Robert Jeske, Pflegedirektor und Vorstand des Klinikums Rechts der Isar.

Ein weiterer Nachteil: Die Aushilfen bleiben durchschnittlich nur sechs bis neun Monate. "Für das feste Team ist es schwierig, wenn immer wieder neue Kollegen kommen. Sie müssen ja auch eingearbeitet werden", sagt Robert Jeske, der seine Karriere selbst als Pfleger begonnen hat.

Es ist eine absurde Situation: Da jede Klinik händeringend nach Personal sucht, konkurrieren die Häuser knallhart. Das Städtische Klinikum lockt seit Anfang des Jahres mit einer 4000-Euro-Prämie für jeden neuen Mitarbeiter. Der Kollege, der ihn geworben hat, bekommt die gleiche Summe.

"14 Mal wurde bislang von dem Angebot Gebrauch gemacht", sagte Klinikums-Sprecher Raphael Diecke am Donnerstag. Auch mit Wohnraum, kostenlosen Deutschkursen, Kinderbetreuungsplätzen oder MVV-Karten wird gelockt.

Ausländische Fachkräfte müssen Pflege-Notstand ausgleichen

Das Rechts der Isar setzt unter anderem auf Soziale Medien und warb zuletzt offensiv auf Facebook und Youtube – aber auch mit Breitenwirkung auf Trambahnen. "Dadurch konnten wir auf der internistischen Intensivstation und im OP-Zentrum neue Betten aufmachen", sagt Rechts der Isar-Vorstand Jeske.

Doch wo keine Interessenten sind, lassen sich auch keine locken. "In Deutschland fischen wir in einem trockenen Teich", sagt Jeske. Deshalb akquirieren die Kliniken verstärkt Fachkräfte im Ausland. "Wir haben keine andere Wahl."

Schon heute haben im Rechts der Isar ein Viertel aller Pfleger einen ausländischen Pass. Weitere 260, die während des Jugoslawienkriegs nach München kamen und blieben, sind dabei noch nicht eingerechnet.

Das LMU-Klinikum holt in diesem Jahr 50 Pfleger von den Philippinen nach Großhadern, zudem setzen beide Unikliniken auf Verstärkung aus Italien: Das Rechts der Isar schult gerade 38 neue Pfleger.

Das müssen ausländische Pfleger können

Voraussetzung für alle Neuankömmlinge sind gute Deutschkenntnisse (Level B2). Danach dauert die Aus- und Weiterbildung sechs bis neun Monate. Damit die Eingliederung funktioniert, gibt es Integrationsbeauftragte, eine Pflegepädagogin, eine Deutschlehrerin und Konfliktmanager. Die Stationsleiter werden von Psychologen gecoacht. "Integration ist ein schmerzhafter Prozess", sagt Pflegedirektor Jeske. "Der kulturelle Wandel muss gut begleitet werden."

Die Klinik ist stolz darauf, ein offenes Haus für verschiedene Kulturen zu sein. "Wenn die Sprachbarriere überwunden ist, sind die ausländischen Pflegekräfte eine große Bereicherung. Viele sind echte Leistungsträger." Er fordert: "Die Pflege muss raus dem Jammertal! Die Bezahlung spielt nicht die größte Rolle. Noch wichtiger ist Wertschätzung."

Die Klinik der Zukunft brauche aber nicht nur genügend Personal. "Sie muss auch mehr in die Digitalisierung und moderne technische Hilfsmittel investieren", sagt Robert Jeske. Beispiel Hamburg-Eppendorf: Hier werden Medikamente automatisch in Tütchen gefüllt und mit einem Barcode versehen.

Ein Fan ist der Münchner Klinik-Vorstand auch von Pflegerobotern, die Waren von A nach B bringen. "Mehr Technisierung und Digitalisierung bedeutet zwar anfangs mehr Bürokratie, wird aber mittelfristig entlasten. Und dann bleibt mehr Zeit für den Patienten."

Im Rahmen unseres großen AZ-Pflege-Reports haben wir mit fünf Pflegern über ihren harten Krankenhaus-Alltag gesprochen.

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