Peter Langman: "Warum Schüler töten"

München - Im Zimmer von Ali David S. hat die Polizei ein Buch gefunden, das er offenbar intensiv studiert hat: "Amok im Kopf – Warum Schüler töten". Es ist ein Sachbuch, das sich mit Herkunft, psychischer Verfassung und Motivation der Täter befasst.
Geschrieben hat es der US-Psychologe Peter Langman – ein Fachmann auf seinem Gebiet. Er sei bestürzt darüber, dass sich der Mörder von München mit seinem Buch befasst habe, sagt der Autor. Zumal Ali David S. nicht der erste Amokläufer war, bei dem es gefunden wurde.
Schon 2013 hatte es ein 18-Jähriger aus Colorado gelesen, der dann in seiner Schule mehrere Lehrer und Jugendliche verletzte, bevor er sich selbst umbrachte.
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AZ: Herr Langman, welche Typen von Amokläufern unterscheiden Sie?
PETER LANGMAN: Psychopathen, psychotische und traumatisierte Täter.
Was macht diese drei Typen aus?
Psychopathische Amokläufer sind narzisstisch, emphatielos und manchmal sadistisch. Manche sind aggressiv und streitlustig; andere charmant und falsch. Psychotische Täter leiden entweder unter Schizophrenie oder unter einer gespaltenen Persönlichkeit in Verbindung mit Wahnvorstellungen, Halluzinationen und einer stark beeinträchtigten sozial-emotionalen Kompetenz. Traumatisierte Amokläufer wuchsen in chronisch dysfunktionalen Familien auf mit häuslicher Gewalt, physischem und manchmal auch sexuellem Missbrauch, häufigen Ortswechseln und wechselnden Bezugspersonen.
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Ali David S. wurde offenbar gemobbt. Besteht ein Zusammenhang zwischen Mobbing und Amok?
Manchmal lässt sich ein solcher Zusammenhang erkennen. Andererseits wurden viele Amokläufer nicht gemobbt.
Gibt es typische Verhaltensweisen, die Amokläufer vor ihrer Tat zeigen?
Sie sprechen häufig über ihr Interesse am Töten, studieren andere Killer, verbringen lange Zeit damit, ihre Attacke zu planen und Waffen zu horten.
Welche Anzeichen gibt’s noch?
Es kann sein, dass sie in besonderer Weise auf Menschen zugehen: Dass sie versuchen, einen Freund für ihr Vorhaben zu rekrutieren; dass sie Freunde warnen, am Tag der geplanten Attacke von einem bestimmten Ort wegzubleiben; oder dass sie über ihre Gewaltfantasien schreiben – online, in Journalen oder sogar in ihren Hausaufgaben.
Gibt es eine Möglichkeit, die Gefahr von Amokläufen einzudämmen?
Ja. Man muss die Menschen über die Warnzeichen aufklären und das Personal der Schulen darauf trainieren, potenzielle Bedrohungen zu erkennen und ihnen nachzugehen.