Peter Harnisch radelt von der Prinzregentenstraße bis in den Iran

Am heutigen Freitag radelt Peter Harnisch (60) los: Von der Prinzregentenstraße nach Iran. 5.000 Kilometer in sieben Wochen. Der AZ erzählt er, warum er das macht und wieso er über Marktl am Inn fährt.
von  Interview: Ruth Schormann
Peter Harnisch arbeitet bei der Max-Planck-Gesellschaft als Referent für Fördernde Mitglieder. Seinen Urlaub spart er sich auf für riesige Radtouren – heuer geht es bis nach Teheran. Vor vier Jahren ist er nach Odessa aufgebrochen (Foto oben).
Peter Harnisch arbeitet bei der Max-Planck-Gesellschaft als Referent für Fördernde Mitglieder. Seinen Urlaub spart er sich auf für riesige Radtouren – heuer geht es bis nach Teheran. Vor vier Jahren ist er nach Odessa aufgebrochen (Foto oben). © Peter Harnisch

AZ: Herr Harnisch, 5000 Kilometer in unter zwei Monaten, etwa 110 Kilometer radeln am Tag mit dem Ziel Iran. Warum machen Sie das?
Peter Harnisch:
Das ist meine vierte, ganz große Radltour. Ich habe 2013 angefangen, entlang der Donau zu radeln, also München, Isar, Deggendorf, Passau und dann die Donau entlang bis zur Mündung. Das hat mir so gut gefallen, ich merkte, ich schaffe das körperlich locker. Dann habe ich 2015 die Donau verlassen, um nach Norden zu kommen: Moldawien, Transnistrien, Ukraine, Odessa. Zwei Jahre später bin ich dann von der Donau nach Süden abgewichen mit dem Ziel Armenien, Eriwan mit einem kleinen Schlenker über Georgien, weil die armenisch-türkische Grenze ja zu ist. Und dieses Jahr nun Iran.

Das verbindende Element der Touren ist die Donau.
Ja, Ausgangspunkt sind immer erst einmal 2500 Kilometer entlang der Donau, das ist Genuss-Radeln, weitgehend flach. Wenn man die Donau dann verlässt, wird es anspruchsvoller. Dann kommt das Balkan-Gebirge, Anatolien, iranisches Hochland. Da geht’s dann auch konditionsmäßig mehr zur Sache.

Geht es also auch um die sportliche Herausforderung?
Mir gefällt es einfach, ein paar Wochen an der frischen Luft zu sein. Das Radeln ist einfach eine Fortbewegungsart, wo man zwar auf der einen Seite vorwärtskommt, auf der anderen aber auch so viele Eindrücke aufnehmen kann, an Landschaft, Menschen, Städten. Das hat etwas direkt Meditatives. Für mich ist das die ideale Fortbewegungsart, wo man mental dann auch mitkommt.

Und steigen Sie auch mal länger ab vom Rad, um etwa Sightseeing zu betreiben?
Ein, zwei Ruhetage habe ich schon. Ich will Istanbul noch mal ansehen, in Iran werde ich zwei Nächte in Täbris bleiben, um mir die Stadt und den größten Basar der Welt anzuschauen. Also Highlights schaue ich schon an.

"Es geht einem so viel durch den Kopf – und dabei wird er frei"

Dabei sind Sie aber immer allein unterwegs. Wird’s einem da nicht langweilig – ganz ohne einen Ratsch beim Radeln?
Man kann vor sich hinpfeifen und es geht einem so unglaublich viel durch den Kopf. Gleichzeitig wird er auch frei. Und ich komme auch sehr gut mit mir allein zurecht. Fad wird es schon deswegen nicht, weil man durchs Alleinreisen mehr auf die einheimische Bevölkerung achtet, auf sie zugeht, ins Gespräch kommt, zum Beispiel abends im Hotel oder Restaurant, als wenn man mit Partner oder Partnerin unterwegs wäre. Da hatte ich ganz großartige Begegnungen, ich erlebe mich da als offener und kontaktfreudiger.

Welche prägenden Eindrücke haben Sie auf Ihren bisherigen Reisen gewonnen?
Ich habe eine für mich zunächst unbekannte Welt kennengelernt: die ländliche Slowakei, das ländliche Ungarn, Bulgarien, Rumänien. Das sind EU-Länder, über die wir furchtbar wenig wissen. Ich musste feststellen, dass es in vielen Bereichen in Südosteuropa noch an vielem fehlt, dass es eine Agrargesellschaft vorindustrieller Art ist, die sich selbst genügt – das ist ganz anders als in den jeweiligen Metropolen, Bukarest oder Sofia. Und, dass wir teilweise in EU-Europa auch sowas wie Dritte Welt haben. Interessanterweise ist es dann ganz anders, wenn man in die Westtürkei kommt.

Wie sieht es dort aus?
In Edirne, das ist die erste Großstadt, da schwirrt das Leben, da sind Lichter, Leute, Feiern, es wird gegessen und getrunken. Ich habe im Kontrast zu Südosteuropa die Türkei als wirtschaftlich viel lebendiger und rühriger erlebt. Das war hochinteressant.

Was erwarten Sie von Iran?
Ich bin gespannt. Ich erwarte keine politischen Schwierigkeiten, sondern eine überwältigende Gastfreundschaft – vielleicht sogar zu viel. Sie soll dort einmalig in der Welt sein. Gerade auch Deutschen gegenüber haben die Menschen dort keine Vorbehalte, weil Iran eines der wenigen Länder ist, wo Deutschland keinen Dreck am Stecken hat. Da gibt es von der Geschichte unbelastete Beziehungen.

Ihre erste Station wird aber Marktl am Inn sein, die Geburtsstadt von Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt.
Ja, denn er war 1951/1952 Kaplan in meiner Pfarrei hier in Bogenhausen. In unserem Kirchenchor, in dem ich singe, haben wir noch ältere Damen, die tatsächlich Religionsunterricht beim jungen Joseph Ratzinger hatten. Also gibt es da einen Bezug und deswegen passt das gut. Außerdem ist das genau die richtige Distanz für den ersten Tag, nach der Arbeit noch 80 Kilometer nach Marktl am Inn. Dem folge ich dann bis Passau, wo er in die Donau mündet.

Angst? "Nein, vor was denn? Bei mir gibt’s nicht viel zu holen"

Das heißt, Sie holen sich noch etwas göttlichen Beistand. Haben Sie denn keine Angst auf der Reise?
Nein, vor was denn? Die Leute sind zum Teil so arm und so mit sich selbst beschäftigt, die tun sich nicht noch einen Überfall an oder etwas derartiges. Und ich habe ja auch nicht viel Gepäck, schon gar keine Wertsachen. Bei mir gibt’s nicht sehr viel zu holen.

Ist Ihnen auf den bisherigen Reisen denn auch nichts passiert?
Nein, das Einzige sind mal streunende Hunde, die kilometerlang neben dem Radl herlaufen und kläffen. Aber das ist ja gar nicht der Rede wert. Ich ertappe mich sogar dabei, dass ich mein Radl weniger abschließe als hier in München, weil einfach ein Grundvertrauen da ist, das bisher noch nicht enttäuscht worden ist.

Sie zelten aber nicht irgendwo in der Wildnis, sondern schlafen in Pensionen oder Hotels.
Ja, die Distanz eines Tages wird auch oft dadurch bestimmt, wo das nächste Hotel ist. Deswegen endet die Radlwelt für mich auch in zwei Jahren in Baku am Kaspischen Meer, weil man jenseits davon mit Zelt unterwegs sein muss, weil dann nur noch Steppe und Wüste kommt.

Das heißt, Sie haben schon die nächste Tour geplant?
Ja, in zwei Jahren möchte ich durch Türkei und Georgien nach Baku in Aserbaidschan. Das ist aber nicht so herausfordernd wie nach Teheran, weil es weniger Kilometer und deutlich weniger Höhenmeter sind. Also diese Tour jetzt wird der Höhepunkt meiner Radlkarriere.

Haben Sie dafür besonders trainiert?
Nein, ich radle jeden Tag zur Arbeit hier in München, das ist aber nicht weit. Ich laufe und mache bei uns in der Max-Planck-Gesellschaft Sportkurse. Und freitags, egal ob Hochsommer oder Winter ist, gehe ich nachmittags immer in die Sauna, um mich zu entspannen. Das mache ich konsequent und dem schreibe ich auch meine stabile Gesundheit zu. Die braucht man natürlich, um solche Touren zu machen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.