Patchwork-Familien: Ihr Kinderlein kommet - aber zu wem?

Jede siebte deutsche Familie ist eine so genannte Fortsetzungs-Familie. An Heiligabend stoßen da oft alle und alles an Grenzen. Schon die Planung, wer wann wo erwünscht ist, kann (vorab) zu Krisen führen. Lesen Sie, wie vier Involvierte die Festtage verbringen – und was sie vermissen.
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Camay Sungu Illustration

Jede siebte deutsche Familie ist eine so genannte Fortsetzungs-Familie. An Heiligabend stoßen da oft alle und alles an Grenzen. Schon die Planung, wer wann wo erwünscht ist, kann (vorab) zu Krisen führen. Lesen Sie, wie vier Involvierte die Festtage verbringen – und was sie vermissen.

"Papa ist bei seiner Freundin"

Luis G. (10), lebt mit zwei Geschwistern (Sandra, 18 und Felix, 2) bei seiner Mama in Schongau und am Wochenende bei seinem Papa bei Garmisch:

„Das ist irgendwie kompliziert bei uns mit Weihnachten. Ich will am liebsten bei meinem Papa in Garmisch feiern, vor allem, weil es das letzte Mal in seinem Haus wäre, bevor er umzieht, und ich bin da gern.

Aber er sagt, er möchte Heiligabend bei seiner Freundin sein, die ist auch nett. Ich könnte da schon mit hin, aber meine Mama und Felix und Sandra nicht. Die feiern daheim in Schongau. Und wenn Papa mit seiner Freundin zusammen ist, hat er auch nicht so viel Zeit für mich, vor allem, weil sie auch noch eine Tochter hat, die Anne.

Jetzt weiß ich nicht, was ich machen soll. Ich glaube, ich bleibe bei meinen Geschwistern. Aber am Tag nach Heiligabend fahren wir alle zusammen, also auch die Mama, zu Papa und feiern nochmal und zünden Fackeln im Schnee an, das wird toll. Nur Papas Freundin kommt dann nicht. Auch doof. Vielleicht überlegt sie sich’s ja noch, dann wären wir mal alle zusammen.“

Alle zusammen? Nicht nochmal

Siggi R. (38, Kauffrau aus Augsburg) hat mit ihrem Ex-Freund die Kinder Ella (10) und Felix (11) und lebt heute mit Thomas Z. (43):

„Manchmal staune ich darüber, wie normal das geworden ist – Heiligabend ohne meine Kinder. Zum dritten Mal mache ich das dieses Jahr seit unserer Trennung – es ist eben mal wieder Papa-Weihnachten in München dran. Ich weiß, dass Felix und Ella sich sehr freuen und ich weiß, ich überlebe das, die Kinder kommen ja wieder. Dass das die beste Lösung für uns ist, wissen wir spätestens seit dem letzten Jahr. Da haben wir ein Experiment versucht: Alle zusammen bei Oma und Opa - mein Ex-Mann mit seiner neuen Frau, ich mit meinem neuen Mann, die Kinder und ein paar Freunde als Puffer, falls die Stimmung kippt. Es ging gut. Aber wiederholen wollen wir das nicht mehr.

Nach den Feiertagen kommen die Kinder heim. Dann feiern wir einfach nochmal. Wir schmücken im Garten eine Tanne, stellen eine Krippe raus, legen Päckchen dazu. Und ich lese Adventsgeschichten, auch wenn der Advent dann vorbei ist. Ich lese für meine Kinder, solange sie mir noch zuhören.“

"Mein Sohn tut sich schwer"

Konni K. (44, Mathematiker aus München), hat mit seiner Ex-Frau Sohn Jonas (10) und lebt seit Mai mit seiner neuen Partnerin Andrea R. (41) und deren Kindern Tim (12) und Marco (9):

„Früher, in meiner Ehe, war Heiligabend ein großes Fest. Wir feierten mit Jonas, mit Oma und Opa, unseren Geschwistern und deren Kindern. Ich mag sowas. Umso seltsamer war es letztes Jahr nach meiner Trennung, als ich Heiligabend zum ersten Mal allein zuhause saß.

Jonas war mit seiner Mutter bei der Großfamilie, da war ich nicht erwünscht. Meine Freundin war bei ihrem Ex-Mann und ihren Kindern, da hätte ich auch nicht wirklich gut dazugepasst. Und meine Eltern? Waren wegen der Trennung sauer auf mich. Das sind schon einsame Momente.

Dieses Jahr freue mich drauf, mit Andrea und ihren Kids zu feiern. Aber ob Jonas auch zu uns kommt oder lieber mit seiner Mama feiert, wissen wir noch nicht. Er tut sich schwer, das zu entscheiden, ich weiß er würde sich am liebsten zweiteilen, und noch lieber wäre es ihm, wenn wir alle unter einem Baum sitzen könnten – aber das geht nicht mehr. Weihnachten ohne ihn? Er würde mir fehlen. Aber ich sage ihm das nicht, er soll sich nicht schlecht fühlen. Wir freuen uns an dem, was wir haben.“

"Benni gebe ich an meinen Ex ab"

Nicole K. (32, Bankkauffrau aus Gräfelfing) lebt mit Benni (6) seit zwei Jahren getrennt von dessen Vater, der am Ammersee wohnt.

„Natürlich hätte ich am liebsten eingefordert, dass Benni Weihnachten immer bei mir feiert. Bis mir mein Anwalt klar machte, dass das nicht geht. Benni gehört nicht zu mir allein. Das zu akzeptieren hat weh getan, aber nun habe ich mich damit angefreundet und gebe ihn Heiligabend diesmal an meinen Ex-Mann und seine neue Freundin ab. Auch da fühlt er sich geliebt.

Für mich wird der 24. ein Abend mit meinem Freund, auf den ich mich auch freue. Mein gefühltes Weihnachten wird aber am 25. sein, wenn Benni zurückkommt. Dann feiern wir mit meinen Eltern unser richtiges Weihnachtsfest mit Baum und Bescherung.

So hat Benni zwei Feste und kann sich später mal aussuchen, welche Art ihm für seine spätere Familie mal besser gefällt.“

Protokoll: Irene Kleber

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