Neu in Partei: Diese sechs jungen Münchner sind schon als Wahlkämpfer unterwegs
München - Wer jung ist, engagiert sich fürs Klima. Doch in einer Partei engagieren sich kaum Leute, die noch zur Uni gehen oder gerade ihren ersten Job angefangen haben. Bei der CSU sind gerade mal fünf Prozent der Mitglieder unter 30. Die Linke, die Grünen und die FDP haben den meisten Zulauf an jungen Mitgliedern. Ihr Anteil ist dreimal so hoch wie bei CSU und der SPD. Doch warum machen überhaupt junge Menschen mit?
Die AZ hat nachgefragt.
Maximilian Seeberger (31) und Antonia Cruel (27), Grüne: "Ein gesunder Lebensstil alleine reicht uns nicht"
Wir sind vor kurzem in ein Haus in Obersendling gezogen, das in vier, fünf Jahren abgerissen werden soll. Der Garten war zuvor richtig klassisch - die Hecken waren gestutzt, der Rasen akkurat gemäht. Wir haben alles etwas verwildern lassen und Stauden, Paprika, Kohl, Tomaten und Kohlrabi gepflanzt. Der Garten ist jetzt ein richtiges Paradies für Insekten. Schmetterlinge, Wildbienen und Libellen fliegen dort herum.
Uns macht die Gartenarbeit total Freude, aber wir haben festgestellt, dass uns ein gesunder Lebensstil alleine nicht reicht. Deshalb sind wir nach vielen, langen Gesprächen diesen Frühling gemeinsam bei den Grünen eingetreten. Wir sind davon überzeugt, dass grüne Politik Spaß machen kann.
Es wäre doch toll, wenn eines Tages tatsächlich keine Autos mehr in der Innenstadt fahren würden und es mehr Platz für die Menschen gäbe. Jetzt im Wahlkampf verteilen wir vor allem Flyer, gehen von Haustür zu Haustür und suchen mit den Leuten den persönlichen Kontakt. Manchmal investieren wir bestimmt acht Stunden in der Woche. Nach Arbeit fühlt sich das aber für uns nicht an, weil wir bei den Grünen so viele inspirierende Leute kennengelernt haben.
Victoria Juskevicius (28), FDP: "Keine Verbotspolitik"

An einem Abend im Februar, an dem meine Mutter und ich zusammen etwas Wein getrunken und uns über die Politik geärgert hatten, sind wir beide gleichzeitig in die FDP eingetreten. Wir waren beide schon immer liberal, demokratisch eingestellt und ich fand es schon immer bewundernswert, wenn sich jemand in einer Partei engagiert.
Mit Corona kam bei mir immer stärker das Gefühl auf, dass ich mich nicht nur beschweren kann, sondern endlich aktiv werden muss. Viele der Regeln, die die Regierung erlassen hat, um die Pandemie einzudämmen, waren natürlich notwendig. Allerdings hat es an Mitspracherecht gefehlt. Die Politik hat in dieser Zeit zu wenig auf die Vernunft der Bürger vertraut. Dass man zum Beispiel zeitweise nach 21 Uhr nicht einmal mehr spazieren durfte, hat mich sehr gestört. Wir sind schließlich alles erwachsene Menschen.
An der FDP finde ich am spannendsten, dass sie keine Verbotspolitik macht, sondern nach innovativen Lösungen sucht. Dass die FDP eine Partei der Steuerberater und Zahnärzte ist, ist ein großes Klischee. Da sind viele normale Menschen dabei.
Ich war überrascht, wie herzlich ich aufgenommen wurde. Jedes neue Mitglied bekommt einen Buddy an die Seite, der einem erklärt, wie man sich einbringen kann. Es ist immer gerngesehen, wenn die Leute Fachwissen haben. Ich habe Marketing und Kommunikation studiert und arbeite in einer Medien-Agentur. Weil ich mich gut mit Kampagnen auskenne, wurde ich nur ein paar Wochen nach meinem Eintritt in den Vorstand gewählt. Da bin ich jetzt zuständig für die Pressearbeit.
Alberto Heine (23), Jurastudent, SPD: "Respekt für alle Menschen"

Mit 15, 16 habe ich viel mit mir selbst gehadert. Da hat mir die Vorstellung, dass man alles erreichen kann, wenn man nur hart genug arbeitet, gefallen. Deshalb bin ich damals in die FDP eingetreten. Mit der Zeit habe ich aber festgestellt, dass diejenigen, die meinen, man müsse nur hart genug kämpfen, selbst aus gutbürgerlichen Elternhäusern kommen.
Inzwischen bin ich davon überzeugt, dass mit dieser Einstellung der gesellschaftliche Kitt verlorengeht. Nachdem ich Olaf Scholz in einer Talkshow gesehen hatte, bin ich in die SPD eingetreten. Mir gefiel, dass er allen Menschen mit Respekt und Würde begegnet, auch denen, die ein schlechteres Los haben. Mein Eintritt ist erst ein paar Wochen her. Deshalb habe ich mich bis jetzt noch nicht im Wahlkampf engagiert. Ich freue mich aber vor allem auf den persönlichen Austausch mit meinem Ortsverband.
Philip Stojkovic (17), Schüler, CSU: "Söder wäre der bessere Kandidat"

Mit 14 habe ich ein Praktikum in der CSU-Zentrale gemacht und das hat mir gefallen. Ich mag das Konservative, dass die CSU Traditionen wie das Oktoberfest fördern will und sich gleichzeitig um den Menschen kümmert. Mitte Mai bin ich schließlich in die Partei eingetreten.
Ich habe beim Plakatieren geholfen und bei einer Veranstaltung von Markus Söder habe ich die Taschen kontrolliert. Söder wäre der bessere Kanzlerkandidat als Armin Laschet gewesen. Dass der Vorstand den Kandidaten alleine festgelegt und nicht die Basis befragt hat, war ein Fehler. Seitdem geht es in den Umfragen bergab. Ich will der CSU deshalb in den nächsten Wochen auch beim Haustürwahlkampf helfen. Außerdem würde ich gern etwas von der Stimmung der Menschen mitbekommen. Mein Leben lang gab es in München ja nur SPD-Bürgermeister, die CSU scheint es gerade schwer zu haben. Mich interessiert, was die Leute bei dieser Wahl wirklich denken.
Nadia Hofman (27), Softwareberaterin, Linke: "Man muss den Menschen nur zuhören"

Meine Mutter ist Altenpflegerin. Sie liebt ihren Beruf, aber es ist ein Witz, was sie verdient, verglichen mit anderen, die den ganzen Tag im Büro sitzen. Mich hat es deshalb schon immer aufgeregt, wenn irgendwo soziale Ungerechtigkeit herrschte.
Während Corona wurde ich in Kurzarbeit geschickt und hatte plötzlich viel Zeit. Da habe ich mich bei der Linken angemeldet. Mir waren die Leute gleich sympathisch. In meinem Freundeskreis gibt es kaum jemanden, der die Linke wählen würde. Ich fand es deshalb toll, endlich Menschen zu treffen, die die gleiche politische Einstellung haben wie ich. Im Winter wurde ich gefragt, ob ich den Wahlkampf im Münchner Westen leiten könnte. Die Arbeit ist superspannend, aber ich habe den Aufwand total unterschätzt.
Zuerst haben wir alle Bezirke analysiert, ob wir dort punkten könnten. Es kam heraus, dass wir auf der Schwanthalerhöhe das größte Potenzial haben und in Pasing unser Engagement stärker ausbauen müssen. Das Problem ist aber, dass wir viel weniger Geld haben als die großen Parteien. Wir müssen alles selbst plakatieren. Seit Juni stehen wir fast jeden Freitagabend und Samstag an Infoständen.
Viele Menschen, die uns dort ansprechen, haben generell etwas gegen die Politik oder glauben, die Linke will ihnen alles wegnehmen. Wenn man ihnen aber zuhört und unser Programm ruhig erklärt, gehen die meisten mit einem positiven Gefühl wieder weg.