Pandemie und Stadtflucht: Der Wohnpreis-Plan fürs Münchner Umland

Die Kaufpreise für Immobilien steigen auch im Münchner Umland aufgrund der großen Nachfrage stark an. Der neue Trend zum Homeoffice in Corona-Zeiten tut da ein Übriges.
von  John Schneider
Aufgrund der Corona-Krise brauchen weniger Menschen eine Wohnung in München, was wiederum die Preise im Umland in die Höhe schießen lässt. (Symbolbild)
Aufgrund der Corona-Krise brauchen weniger Menschen eine Wohnung in München, was wiederum die Preise im Umland in die Höhe schießen lässt. (Symbolbild) © imago images/Fotostand

München - Eine der ersten drei Fragen von potenziellen Immobilienkäufern oder Wohnungsmietern im Münchner Umland ist die nach dem schnellen Internet. Ein Grund: In Pandemiezeiten arbeiten viel mehr Menschen im Homeoffice.

Weniger Menschen brauchen eine Wohnung in der Stadt

Wer nur ein oder zwei Mal die Woche ins (Münchner) Büro muss, braucht keine Wohnung in unmittelbarer Nähe der Metropole, sondern kann seine Arbeit zumeist von zu Hause aus leisten. Wenn das Internet funktioniert.

Die hohen Preise in München treiben viele Menschen aus der Stadt, diese Nachfrage erhöht wiederum die Preise im Umland. "Auch in Zeiten der Corona-Krise ist die Nachfrage auf dem Wohnimmobilienmarkt im Münchner Umland immens, ein Abflachen der hohen Preisanstiege ist größtenteils nicht in Sicht," erklärt Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts.

Die Kaufpreise stiegen deutlich an

Eher im Gegenteil. "Im Zeitraum Herbst 2020 bis Frühjahr 2021 stiegen die Kaufpreise vor allem in Dachau, Erding, Ebersberg und Fürstenfeldbruck zum Teil deutlich an."

Eine gut zu beobachtende Regel nach Kippes: "Je weiter draußen, desto preiswerter." Ein Beispiel dafür sind die Kommunen im Westen, die von der S4 bedient werden.

Die Grafik zeigt, dass bei den Mieten im Umland der Anstieg noch relativ moderat ausfällt. Bei den Preisen handelt es sich um Kaltmieten pro Quadratmeter.
Die Grafik zeigt, dass bei den Mieten im Umland der Anstieg noch relativ moderat ausfällt. Bei den Preisen handelt es sich um Kaltmieten pro Quadratmeter. © Quelle: IVD, Grafiken: AZ

Bei Eigentumswohnungen im Bestand muss man in München im Juli 2021 schon 8.150 Euro pro Quadratmeter zahlen (2020 waren es noch 7.700 Euro).

Markante Preiszuwächse im gesamten Umland

In Eichenau sind es 5.500 Euro (2020: 5.100 Euro), in Fürstenfeldbruck 4.790 Euro (2020: 4.500 Euro) und im weiter entfernten Grafrath reichen derzeit 4.600 Euro für den Quadratmeter. Aber auch dort sind es 100 Euro mehr als im Vorjahr.

Die IVD-Erhebung zeigt überhaupt im gesamten Umland erneut markante Preiszuwächse. Die mit Abstand teuerste Kreisstadt ist dabei Starnberg.

Die Tabelle zeigt: Tegernsee, Starnberg und Herrsching sind im Umland am teuersten.
Die Tabelle zeigt: Tegernsee, Starnberg und Herrsching sind im Umland am teuersten. © Quelle: IVD, Grafik: AZ

Während in Freising 4.680 Euro im Schnitt für den Quadratmeter verlangt werden, muss in Starnberg für eine Eigentumswohnung aus dem Bestand 6.410 Euro hingelegt werden.

"In sämtlichen Kreisstädten stieg das Preisniveau gegenüber Herbst 2020 an. Am deutlichsten fielen die Zuwächse in Ebersberg (plus 5,5 Prozent) aus, gefolgt von Erding und Fürstenfeldbruck mit jeweils plus 3,9 Prozent", so der IVD.

Ähnliche Situation bei freistehenden Einfamilienhäusern

Ähnlich die Situation bei freistehenden Einfamilienhäusern: In München kostet ein solches Haus unerschwingliche zwei Millionen Euro, in Starnberg 1,84 Millionen Euro.

Notgedrungen müssen sich Käufer ins Umland orientieren, die Preise steigen. In Dachau werden jetzt 1,09 Millionen Euro für ein Haus verlangt. Das ist ein Plus von 6,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Der Boom macht auch vor dem Mietmarkt nicht halt. Während die Quadratmeterpreise bei Eigentumswohnungen in den letzten fünf Jahren um 53 Prozent im Schnitt der Kreisstädte gestiegen sind, fällt dieser Anstieg bei Mietwohnungen mit 22 Prozent weitaus moderater aus.

Der Effekt von Corona und Homeoffice

Ein Effekt von Corona und Homeoffice: Die Ansprüche an die Wohnimmobilie haben sich geändert. Wo früher bei einem Zwei-Personen-Haushalt zwei geräumige Zimmer ausreichten, muss jetzt ein drittes Zimmer für die Arbeit dazukommen. Das macht die Sache in einer hochpreisigen Region wie München noch teurer.

Die steigenden Preise im Umland zeigen, dass die Nachfrage nach Wohnimmobilien trotz Pandemie das Angebot weit übersteigt. Und doch scheint die Stadtflucht beinahe unvermeidbar - einfach, weil die nötigen Flächen in München fehlen.

Das könnte ein Ausweg sein

Ein möglicher Ausweg: Genossenschaften und Wohnungsbaugesellschaften, auch aus München, die als Bauherren auftreten. So könnten die Kommunen sich selbst Flächen für bezahlbaren Wohnraum sichern.

"Diese Anstrengungen gehen durchaus in die richtige Richtung," erklärt Kippes. "Dennoch ist der Anteil an neu geschaffenen Wohneinheiten, die einkommensorientiert vergeben und finanziell gefördert werden, weiterhin deutlich zu gering."

Chancen für mehr Wohnungsbau sieht Kippes unter anderem auf nicht mehr genutzten Gewerbearealen "sowie künftig, nach Abzug der Bundeswehr, auf den Fliegerhorst-Geländen in Fürstenfeldbruck und Erding".

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