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Palästina-Demos in München: Kehrtwende – OB Dieter Reiter will sich mit muslimischen Vertretern treffen

Münchner Imame werfen dem Oberbürgermeister Dieter Reiter vor, Gespräche zu verweigern. Der reagierte mit Unverständnis. Nun kommt es zur Aussprache.
von  Jan Krattiger
Wie bei den Demos in der Vorwoche: Bei einem Trauermarsch am Dienstagabend in München waren auch Palästina-Flaggen erlaubt. (Archiv)
Wie bei den Demos in der Vorwoche: Bei einem Trauermarsch am Dienstagabend in München waren auch Palästina-Flaggen erlaubt. (Archiv) © Sigi Müller

München - Dreizehn Unterzeichner, darunter Imame und auch Vertreter des Muslimrats, haben sich am Mittwoch in einem gemeinsamen Brief bei Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) beschwert.

Der Streit zwischen Reiter und den Imamen schwelt schon seit Ausbruch des Israel-Kriegs: Bei der Gedenkveranstaltung am Donnerstag letzte Woche vor der Synagoge sprachen keine muslimischen Vertreter. Eine "verpasste Chance" war das in den Augen des Imams Benjamin Idriz, der seine Kritik noch am Tag selber in einem offenen Brief äußerte.

Imame und muslimische Vertreter: Scharfe Kritik an Münchens OB Dieter Reiter

Am Mittwoch legte Idriz gemeinsam mit weiteren Vertretern der muslimischen Gemeinschaft nach. Sie werfen Reiter vor, seither jegliche Gesprächsversuche abzulehnen und stellen dem OB ein Ultimatum: Sie fordern noch an diesem Mittwoch ein Gespräch, denn "wir brauchen eine mit Ihnen abgesprochene, umsetzbare Lösung" vor Freitag, schreiben sie.

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Reiter wiederum reagiert mit einer Klarstellung und schreibt, dass die Imame mehrere Gesprächsangebote abgelehnt hätten. Ein Gespräch sei niemals verweigert worden, vielmehr musste "aufgrund des sehr vollen Terminkalenders erst ein Gesprächstermin gefunden werden", so Reiter. Trotzdem stehe seine Türe für einen "sinnvollen Dialog" weiterhin offen.

Kehrtwende: OB Reiter und muslimische Vertreter aus München treffen sich am Freitag

Diesen Dialog wird es nun am Freitag geben. Auf Initiative des Vorstands des Münchner Forums für Islam (MFI), Benjamin Idriz, kommt es nun doch zu einem kurzfristigen Treffen von Münchner Vorständen muslimischer Gemeinden und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Angesetzt ist es zwischen Idriz, drei weiteren Geistlichen und dem OB um 11.30 Uhr im Rathaus.

Insbesondere ist es dem Penzberger Imam offenbar wichtig, noch vor dem Freitagsgebet mit OB Reiter zu sprechen, weil er Informationen bekam, wonach für Samstagnachmittag eine großangelegte Münchner Pro-Palästina-Demo in der Innenstadt per Handzettel und in den Sozialen Medien beworben wird – inklusive Autokorso mit "Hunderten Fahrzeugen".

Vor dem Hintergrund sei es wichtig, für die Mitglieder der muslimischen Gemeinden in München die richtigen, besonnenen, mäßigenden, mit der Stadt abgestimmten Worte bei der Freitagspredigt zuvor zu finden. "Es ist unklar, wer die Demo veranstaltet", sagt Idriz und wirkt dabei besorgt. Er befürchtet eine Eskalation, falls hier hetzerische Kräfte mit Hassbotschaften die Fäden ziehen sollten.

Eine AZ-Anfrage beim KVR ergab, dass die genannte Demo nicht angemeldet, der Aufruf jedoch bekannt ist. Man versuche nun, gemeinsam mit der Polizei die Veranstalter zu kontaktieren, damit sie den Protest doch anmelden. 

"Es geht uns jetzt um die gemeinsame Solidarität und Linie mit der Stadt"

In den vergangenen Tagen hatte Idriz einen offenen Brief an Reiter veröffentlicht. Dabei beklagte er im Namen von 13 weiteren Geistlichen, dass bei der Gedenkveranstaltung vom vorvergangenen Donnerstag zum blutigen Hamas-Anschlag in Israel an der Ohel-Jakob-Synagoge kein muslimischer Vertreter gesprochen habe, um Solidarität, Beileid und Trauer zu bekunden.

Nach der möglich gemachten Verabredung von und mit OB Reiter für Freitag löschte Idriz nun diesen offenen Brief. Bei einem Telefonat mit der AZ begründete er: "Ich habe das getan, weil ich in der aktuellen Lage so wenig negative Stimmung wie möglich verbreiten möchte. Es geht uns jetzt um die gemeinsame Solidarität und Linie mit der Stadt", erklärte Idriz.

Trotz Demoverbot in München: Pro-Palästinensische Trauerfeier am Stachus

Bei der besagten Gedenkveranstaltung von vergangenem Donnerstag hatte Reiter auch ein Verbot jeglicher propalästinensischer Demos in München angekündigt. Das besteht auch weiterhin, so hat das Kreisverwaltungsreferat (KVR) eine angemeldete Demo für Mittwochabend untersagt.

Trotzdem haben sich bereits am Dienstagabend propalästinensische Münchner versammelt zu einem spontanen Trauermarsch. Laut Polizei zogen 20 Personen still und ohne Transparente zum israelischen Generalkonsulat.

Polizei lässt Trauerfeier in München spontan gewähren

Dort hat sich ein Teilnehmer, ein Deutscher mit arabischen Wurzeln, als Veranstalter gemeldet. Die Polizei entschied spontan, die Trauerfeier zuzulassen. Die Teilnehmer liefen, ohne Parolen zu skandieren, zum Stachus. Dort waren schlussendlich rund 70 Menschen versammelt, die Kerzen angezündet haben. Ein Teilnehmer hat eine Trauerrede gehalten, in Gedenken an die Opfer des Raketeneinschlags an einem Krankenhaus in Gaza. Palästina-Flaggen waren erlaubt, aber keine Schilder.

Das KVR betont auf AZ-Anfrage, dass das Demoverbot weiterhin besteht. Bei der spontanen Erlaubnis am Dienstagabend lag die Entscheidungsgewalt bei der Polizei. Allgemein gelte aber: "Es ist nicht möglich, pauschale Aussagen zu machen, es ist immer eine Lagebewertung. Schon für heute gibt es eine andere Lagebewertung als gestern. Da wird immer die einzelne Situation bewertet und in der Situation entschieden", so eine Sprecherin zur AZ. 

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat unterdessen dem Eilantrag des Veranstalters stattgegeben und ein Versammlungsverbot der Stadt München vorläufig aufgehoben. Eine Versammlung unter dem Motto "Menschenrechte und Völkerrecht auch für Palästina" kann damit am Donnerstag auf dem Marienplatz in München stattfinden.

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