Ottfried Fischer im AZ-Interview: „Ich genieße die Freiheit“

Ottfried Fischer über seinen ungewöhnlichen Kabarett-Auftritt im Kalypso, über den Masochismus des Publikums und die Verbreitung von Moral in Zeiten der Entwurzelung.
AZ: Wie geht es Ihnen?
OTTFRIED FISCHER: Einwandfrei. Die Parkinson-Krankheit ist da, aber hält sich ruhig.
Sie halten jetzt Lesungen. Woher kommt die Idee?
Ich habe auf einem Fest Claus Reichstaller kennen gelernt, einen der besten Jazz-Trompeter im Lande. Ich hatte bereits literarische Frühschoppen gehalten und wollte diese Idee aufgreifen. Claus hat dann eine fantastische Band zusammengestellt.
Otti & die Heimatlosen. Woher kommt der Name?
Weil die Kombination völlig neu war und noch nicht wusste, wo sie hingehört. Wir wollen uns gegenseitig fordern. Ich habe die Überschrift „Vom Autopiloten zum Erschöpfungshighlight“ bekommen und musste dazu einen Text schreiben. Den werde ich vorlesen, die Band begleitet mich.
Der Titel ihres aktuellen Programms „Wo meine Sonne scheint“ klingt mehr nach Folklore als nach Jazz.
In dem Programm beschäftige ich mich viel mit Heimat. In München gibt es eine Jazz-Szene, die darunter leidet, dass es wenig Auftrittsorte gibt. Wir wollen die Heimat durch Zusammenhelfen, durch ein Crossover von Jazz und Kabarett schaffen.
Wollen Sie eine neue Spielstätte für Jazz etablieren?
Ja, Claus Reichstaller lässt im Kalypso auch schon seine Schüler auftreten. Die blühen dort richtig auf, weil nicht die Unbarmherzigkeit eines hochetablierten Clubs herrscht.
Durch welche Texte ergänzen Sie die Musik?
Zum Beispiel Glossen, die ich im Laufe der Jahre auch für die AZ geschrieben habe oder Essays, die ich für einen Bildband über bayerische Sportarten wie Fingerhakln oder Maibaumkraxln verfasst habe.
Aus dem Fernsehgeschäft steigen Sie zunehmend aus. Ist das eine Rückbesinnung auf das Kabarett?
Ich würde weiter gerne den Pfarrer Braun spielen. Allerdings genieße ich die Freiheit, die das Kabarett abseits von Quote und Termindruck bietet. Außerdem glaube ich, dass das Kabarett wieder Moral verbreiten muss in einer Zeit, in der der Mensch Gefahr läuft, entwurzelt zu werden. Darum sagt man den Leuten, was sie auch denken. Das gibt ihnen ein warmes Gefühl.
Reden Sie dem Publikum nach dem Mund?
Nein, man präsentiert ja auch unangenehme Dinge. Da sind die Leute auch ein wenig masochistisch, weil sie gerne die unangenehmen Sachen hören. Aber der Erkenntnisgewinn rechtfertigt das.
Wieso finden die Lesungen in einem griechischen Restaurant statt?
Der Wirt ist ein Freund der Kunst, so was ist selten. Ich musste oft die Erfahrung machen, dass Kunst und Gastronomie kollidieren, wenn zum Beispiel während der Veranstaltung bedient werden soll.
Interview: C. Pfaffinger