"Organic Garden": Münchens Bauern der Zukunft

Das Start-up "Organic Garden" plant nicht weniger als die Revolution des nachhaltigen Obst- und Gemüseanbaus. Bald soll der erste Standort im Münchner Umland entstehen. Einen Laden in der Stadt gibt es schon.
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Holger Stromberg (links) und Martin Wild verkaufen am Viktualienmarkt schon vegane Snacks, aber das ist nur ein kleiner Teil ihres Projekts, das die Landwirtschaft um München - zumindest ein bisschen - revolutionieren will.
Holger Stromberg (links) und Martin Wild verkaufen am Viktualienmarkt schon vegane Snacks, aber das ist nur ein kleiner Teil ihres Projekts, das die Landwirtschaft um München - zumindest ein bisschen - revolutionieren will. © Daniel von Loeper

München - Der Gedanke ist ebenso simpel wie größenwahnsinnig. Eine riesige Farm im Münchner Umland liefert Obst, Gemüse, Pilze, sogar Fisch ganzjährig, klimaneutral und ressourcenschonend.

Direkt am Viktualienmarkt gibt es bereits vegane Hotdogs

100.000 Menschen sollen das ganze Jahr über versorgt werden. Das Ingolstädter Start-up "Organic Garden" plant die erste eigene Farm im Speckgürtel, die den Konsum vieler Münchner verändern soll. Nachhaltig, frisch, gesund.

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Einen Laden haben Gründer Martin Wild und Koch Holger Stromberg, der im Januar bei "Organic Garden" eingestiegen ist, schon eröffnet. Direkt am Viktualienmarkt gibt es vegane Hotdogs. "Wir machen das extra so", erklärt Martin Wild, der Organic Garden 2019 gegründet hat. "Wenn die Farm erst einmal steht und der jährliche Output da ist, muss er direkt in die Lebensmittel fließen."

Farm im Münchner Umland: Standort und Investoren gesucht

Wild sucht noch nach einem Standort für die Farm, im Münchner Speckgürtel soll sie liegen und 30 Hektar groß sein. Eine zweistellige Millionensumme soll sie kosten, mehr sagt er nicht. Momentan sucht er nach zusätzlichen Investoren.

Ist ein Hot Dog, hat aber keinen Fleischinhalt.
Ist ein Hot Dog, hat aber keinen Fleischinhalt. © Daniel von Loeper

Bis die Farm in Betrieb ist, verlassen sich Wild und Stromberg - zehn Jahre Koch der Fußballnationalmannschaft - auf Partner. Die Hotdogsemmeln stammen von einer Bäckerei in Ingolstadt, die sie aus Dinkelmehl-Sauerteig herstellt.

Holger Stromberg: "Organic Garden muss auffallen"

Der Tofu kommt von einer Firma im Schwarzwald, die das Soja in Deutschland anpflanzt. Der vegane Hühnchenersatz kommt aus der Schweiz und besteht aus Erbsenprotein. Stromberg ist überzeugt, dass "Organic Garden" auffallen muss, um wahrgenommen zu werden.

Deshalb gibt es im Laden grüne Buns, also Semmeln, mit Tofu-Wienern, No-Käse und Dinkel-Amaranth-Pops. Ohne Geschmacksverstärker und Zusatzstoffe.

"Die Menschen wollen aber das ganze Jahr über Tomaten essen"

International und doch regional: Das Konzept trifft den Zeitgeist. Immer mehr Menschen wollen nachhaltig angebaute, regionale Lebensmittel. Laut dem Bund ökologischer Lebensmittelwirtschaft ist der Anteil an Bio-Lebensmitteln 2020 um 22 Prozent gestiegen.

Aus Fischexkrementen wird auf der Farm wieder Erde für Gemüse

Viele, vor allem jüngere Menschen, wollen gleichzeitig nie auf ein Lebensmittel verzichten. "In Deutschland wachsen Tomaten nur in drei Monaten im Jahr", sagt Stromberg. "Die Menschen wollen aber das ganze Jahr über Tomaten essen."

"Organic Garden" will die Menschen mit dem durch die globalisierte Welt entstandenen komfortablen Konsumverhalten nicht umerziehen. Wild und Stromberg wollen sich ihnen anpassen und sie sensibilisieren.

Vertical Farming auf einer kleinen Fläche

Und zwar so: Wild beschreibt die Farm als "Kreislaufsystem". Auf 30 Hektar bauen sie Obst und Gemüse an, züchten Pilze, Algen und Fische. Kartoffeln und Getreide sollen nicht angepflanzt werden, sie passen nicht in das System.

So schaut Vertical Farming, also vertikales Gärtnern aus. Hier ein Beispiel aus Großbritannien. Flächen werden so gespart, aber noch ist es sehr energieintensiv.
So schaut Vertical Farming, also vertikales Gärtnern aus. Hier ein Beispiel aus Großbritannien. Flächen werden so gespart, aber noch ist es sehr energieintensiv. © Fabian Wegener/dpa

Champignons dafür sehr wohl: Durch das CO2, das sie produzieren, wächst anderes Gemüse besser. Von den gezüchteten Fischen werden die Exkremente für Kulturerde und das gefilterte Wasser zum Bewässern genutzt. Aquaponik nennt sich dieses Verfahren, das Prinzip gab es schon im Mittelalter. Auf einer kleinen Fläche wollen sie auch Vertical Farming betreiben - das ist Gemüsezucht auf vielen Etagen übereinander. Das ist momentan noch sehr teuer und verbraucht viel Energie.

Die Lebensmittel vertreibt "Organic Garden" über den eigenen Laden auf der Farm, das Internet und Abo-Modelle. Ein Teil wird an Kantinen, Schulmensen und Restaurants geliefert. Zwischenhändler fallen weg. Die Abfälle, die sie selbst sammeln können, sollen wieder in den Kreislauf gespeist werden.

Geschlossener Nährstoffkreislauf als Basis für nachhaltige Landwirtschaft

Das Konzept klingt simpel - und ist in dieser Dimension bisher neu in Deutschland. Für den Bayerischen Bauernverband ein zukunftsträchtiges Modell. "Auch wir selbst beschäftigen uns mit solchen Ansätzen für die Landwirtschaft und die Lebensmittelversorgung der Zukunft", teilte Pressesprecher Markus Drexler der AZ mit.

So soll die Farm aufgeteilt sein.
So soll die Farm aufgeteilt sein. © Lang Hugger

Vor wenigen Tagen veröffentlichte der Verband ein Papier, in dem "Chancen und Perspektiven" von Bayerns Landwirtschaft 2040 vorgestellt werden. Zentrale Aspekte sind ähnlich oder identisch zu dem Konzept von "Organic Garden". Etwa der regionale Anbau von Obst und Gemüse, das früher hauptsächlich im Ausland angebaut wurde, oder ein geschlossener Nährstoffkreislauf als Basis für eine nachhaltige Landwirtschaft.

Stromberg: "Organic Garden geht nur groß"

Das Konzept soll Landwirten und Verbrauchern zugutekommen - und Umwelt und Wirtschaft stärken. Ob und inwiefern sich "Organic Garden" mit den Bauern im Münchner Umland in die Quere kommt, kann der Verband aktuell noch nicht sagen.

"Organic Garden geht nur groß", sagt Stromberg. "Alles andere würde sich für den Konsumenten und für uns nicht rentieren." Damit es sich überhaupt rentiert, müssen die beiden aber eine Fläche finden und loslegen. Erst dann kann sie nachhaltig und gesund werden, die Ernährungsrevolution von "Organic Garden".


Organic Garden Store, Heiliggeiststraße 1, Mo - Sa 11 bis 19 Uhr

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  • Der wahre tscharlie am 19.05.2021 16:22 Uhr / Bewertung:

    "In Deutschland wachsen Tomaten nur in drei Monaten im Jahr", sagt Stromberg. "Die Menschen wollen aber das ganze Jahr über Tomaten essen."

    Und da geht es schon los. Warum wollen die Leute das ganze Jahr über Tomaten essen? Weil die Leute inzwischen daran gewöhnt sind. Weil vor Jahrzehnten damit begonnen wurde, ganzjährig Tomaten aus Spanien/Italien zu uns zu liefern.
    Oder Erdbeeren, die ja auch nur Saisongemüse ist.
    Das Verhalten der Menschen muß sich ändern, und nicht einfach "Bedürfnisse" bedienen, die schon da sind. Gut, beim Fleischkonsum ändert sich schon das Verhalten.

    Aber wenn Lebensmittel aus dem Schwarzwald und der Schweiz kommen, kann man nicht von regional reden. Und ich persönlich esse lieber eine echte Hühnerbrust, als eine vegane. Letztens sah ich etwas über Steaks aus dem 3 D Drucker. Vegan.

    All diese Dinge dienen nicht dazu, unser Konsumverhalten zu hinterfrage/ändern, sondern bedienen sie, während tägl. Tonnen von Lebensmittel wegschmissen werden.

  • Sarah-Muc am 20.05.2021 10:14 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der wahre tscharlie

    Ich kaufe mittlerweile überwiegend regional. Da gibt es ja auch einige
    Höfe aus der Umgebung von München die liefern und auch in München
    gibt es nen Hofladen. Die Bauernmärkte darf man auch nicht vergessen.
    Ich muss sagen, die Qualität und die Frische sind nicht zu überbieten.
    Und auch der Müll ist überhaupt nicht vergleichbar.
    Saisonal und regional. Da weiss ich, woher was kommt und der Bauer verdient auch.
    Ich schmeiss auch nichts mehr weg!!!

  • Der wahre tscharlie am 20.05.2021 15:32 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Sarah-Muc

    Richtig. Fast jeder kann, wenn er will, sich regional versorgen und ernähren. Dass die bessere Qualität im Vergleich zum Discounter etwas mehr kostet, ist ja verständlich.

    Aber den Plan, den die Beiden da haben sehe ich sehr skeptisch. München hat Probleme, Flächen für die Wohnbebauung zu finden, und da wollen die ein so großes Gelände bebauen?
    Und der vegane Hype ist ja anscheinend ungebrochen. Sieht aus wie eine Wurst, schmeckt wie eine Wurst, ist aber keine. Da nehm ich doch lieber das Original.

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