Opfer als Zeugin geladen

Zwei Männer überfallen das Modegeschäft „Zara“ in der Fußgängerzone. Dabei fällt ein Schuss – und die Opfer leiden bis heute unter den Folgen.  
von  Torsten Huber
Muska N. (21) hat den Raubüberfall auf das Modegeschäft miterlebt. Danach bricht sie zusammen und muss in den Rollstuhl.
Muska N. (21) hat den Raubüberfall auf das Modegeschäft miterlebt. Danach bricht sie zusammen und muss in den Rollstuhl. © Daniel von Loeper

Zwei Männer überfallen das Modegeschäft „Zara“ in der Fußgängerzone. Dabei fällt ein Schuss – und die Opfer leiden bis heute unter den Folgen.

München - Richtig geplant ist der Überfall auf das Bekleidungsgeschäft „Zara“ in der Fußgängerzone am 2. Februar nicht gewesen. Ausgerechnet am Tag der Sicherheitskonferenz (Siko) im Bayerischen Hof überfallen Artur S. (21) und sein Spezl Aleks T. (21) die Boutique in Hotelnähe. „Ich habe mich schon gewundert, warum so viel Polizei in der Stadt ist. Später habe ich aus der Zeitung erfahren, was los war“, sagt der Ex-„Zara“-Lagerarbeiter Aleks T. vor der Jugendkammer des Landgerichts. Die „Zara“-Filiale ist etwa 300 Meter entfernt vom Siko-Austragungsort. 70 Außen- und Verteidigungsminister und mehr als 90 Länderdelegationen sind dabei zu Besuch. Die Innenstadt wird dann zum Hochsicherheitstrakt. Über 3400 schwer bewaffnete Polizeibeamte sind im Einsatz.

Gegen 19.50 Uhr begibt sich der Soldat Artur S. in das Geschäft: „Ich hatte von Aleks einen Lageplan. Im dritten Stock habe ich mich auf der Toilette eingesperrt. Über ein Head-Set hatten wir Dauerkontakt. Aleks stand im Verkaufsraum und beobachtete die Kasse.“ Gegen 20.55 Uhr kommt das Startzeichen von Aleks T., der sich als Ex-Kollege nach Ladenschluss dort aufhalten darf. Artur S. vermummt sich und geht mit einer Softair-Pistole Richtung Tresorraum, der auf der selben Etage liegt. Er bedroht vier Mitarbeiterinnen: „Geld her!“ Plötzlich fällt ein Schuss. Die Plastikkugel trifft Edona U. am linken Auge. Sie leidet heute noch unter erhöhtem Tränenfluss. Eine Kollegin von ihr wird traumatisiert.

Mit 35960 Euro flüchtet Artur S.; die Beute wird geteilt. Noch in der Nacht zum 3. Februar wird Aleks T. festgenommen. Eine Verkäuferin hat die Polizei auf seine Spur gebracht. Sie habe sich gewundert, was er in der Filiale mache. Es sei zum 1. Februar gekündigt worden. Danach kam ihm die Idee mit dem Überfall: „Man warf mich raus, weil ich für Überstunden Freizeitausgleich wollte. Ich war sauer.“

Fast zwei Monate nach dem Raubüberfall auf die „Zara“-Filiale in der Fußgänger-Zone bricht die damalige Verkäuferin Muska M. (21) in dem Modegeschäft zusammen. Kollegen alarmieren die Rettungsstelle. Seit diesem Tag, dem 25. März, ändert sich das Leben der jungen Frau völlig. Muska N. erinnert sich: „Vor dem Zusammenbruch hatte ich die ganze Woche über Nackenschmerzen. Auf dem Weg zur Arbeit ist mir schlecht geworden.“

Nach der Entlassung aus der Klinik ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Ihre linke Körperhälfte ist gelähmt. Sie ist auf Hilfe angewiesen. Wenn sie die Wohnung der Eltern verlassen will, müssen ihre Schwestern sie die Treppe heruntertragen – ein Lift fehlt. Die Ärzte sind ratlos. Sie finden die Ursache der Lähmung nicht. Lediglich ein Gefäßproblem am Nacken und eine daraus resultierende Durchblutungsstörung. Muska N. sagt: „Die Ärzte meinen, dass es einen psychischen Grund dafür gibt, weil sie nichts anderes gefunden haben.“

Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Überfall und der Erkrankung. Sie musste mit ansehen, wie der Räuber Artur S. (21) ihre Kolleginnen mit einer Waffe bedrohte. Sie verspürte Machtlosigkeit. Dann fiel der Schuss auf die Kollegin. Inzwischen geht es aber wieder bergauf. „Nur bei weiten Strecken muss ich einen Rollator benutzen“, sagt Muska N., die im nächsten Jahr eine Banklehre beginnen möchte: „Ich bin am Freitag um zehn Uhr in dem Prozess als Zeugin geladen.“ Vielleicht ist das Erscheinen vor Gericht eine Art Abschluss mit dem grausamen Vorfall – und Muska N. wird wieder völlig gesund.

 

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.